Dienstag, 12. Februar 2013

"Kirche zahlte 50 Euro pro Vergewaltigung"


“Die Kirche will keine Aufklärung.”

An eine solche „umfassende Aufarbeitung“ glaubt Raphael Hildebrandt schon längst nicht mehr. Zu oft ist er von der katholischen Kirche enttäuscht worden. Hildebrandt war 1995 der erste, der den Pfarrer anzeigte. Für ihn begann damit eine jahrzehntelange Odyssee. „Fakt ist aus meiner Sicht, dass sie eigentlich gar keine Aufklärung wollen. Die Erfahrung musste ich immer wieder machen“, erklärt er. „Der Auftrag ist einfach zurückgezogen worden, weil sie wahrscheinlich wissen, was noch rauskommen würde.“ Die Interviews des Missbrauchsbeauftragten der katholischen Kirche, Stephan Ackermann, verfolgt er in den Medien aufmerksam. Auch auf ihn ist er nicht mehr gut zu sprechen: „Wenn ich schon so etwas höre: Die Kirche ist enttäuscht worden. Also da muss ich eben gerade lachen, wenn ich daran denke, wie sie mit uns umgegangen sind. Das war wirklich menschenverachtend.“

Kirche zahlte 50 Euro pro Vergewaltigung

Über zwei Jahre lang hat Hildebrandt für eine Entschädigung gekämpft. Zusammen mit sieben anderen Opfern engagierte er 2010 den renommierten Anwalt Ingo Lenßen. Heute sagt er: „Wenn wir da selber nichts unternommen hätten und uns nicht einen so guten Anwalt geholt hätten, dann wäre da gar nichts passiert.“ Am Ende zahlte die katholische Kirche an Raphael Hildebrandt 20.000 Euro.  „Die meisten haben aber nur 5.000 Euro bekommen. Das ist ein Witz.” Für Hildebrandt sind auch die 20.000 Euro noch immer nicht angemessen: „Wenn bei der Bundesbahn die Klimaanlage ausfällt, bekommt man bis zu 500 Euro wegen der Übertemperatur. Und dann wird man Jahre lang schwer misshandelt und bekommt weniger. Ich meine, das sind 50 Euro pro Übergriff. Da stimmen doch die Relationen nicht.“ Oft wurde ihm und den anderen sieben Opfern auch vorgeworfen, dass es ihnen nur ums Geld gehen würde. „Das hat mit dem alles nicht zu tun“, sagt Hildebrandt. „Denn letztendlich ist es ein tagtäglicher Kampf, mit den Folgen zu leben.“

“Da geht es nicht um den Gauben an Gott. Sondern um Macht.”

Auch an der Unabhängigkeit von Angelika Musella zweifelt Raphael Hildebrandt. „Mir gegenüber ist sie als naja, sagen wir mal gefühlsneutrale Anwältin aufgetreten, die sich für die Belange der katholische Kirche einsetzt – nicht für die Opfer.“ Letztlich sei auch das „wieder alles nur Show. Für mich geht es da nicht um den Glauben an Gott. Sondern um Macht.“ Dann blickt er auf den ein Meter hohen Stapel von Akten und Briefen in seinem Arbeitszimmer. „Diese alten Männer werden sich nie ändern.“