Dienstag, 12. Februar 2013

Bischof Ackermann tritt nach - anstatt zurück: " Aber man muss natürlich auch dazu sehen, dass das ja Dinge sind, die zurückliegen, zum Teil sehr weit zurückliegen..."

Kaess: Sie wissen ja als Missbrauchsbeauftragter der katholischen Kirche nur zu gut, in welcher Krise die katholische Kirche auch in Deutschland steckt. Was wird der Rücktritt des Papstes jetzt in dieser Situation auslösen?

Ackermann: Natürlich ist es immer eine Zäsur. Also wenn ein neues Pontifikat beginnt, dann wird sich das ja jetzt vermischen noch mit vielen Fragen, wie geht es weiter, da werden sich Hoffnungen, da werden sich unzählige Erwartungen daran knüpfen. Das ist ja auch immer eine Hypothek, die dann ein neuer Amtsinhaber mit zu bedenken, mit aufzunehmen hat und im Grunde ja auch gar nicht erfüllen kann. Aber ich will noch mal deutlich machen, gerade Papst Benedikt hat sich doch dieser ganzen Thematik, dieser schmerzlichen Thematik gestellt, keinen Zweifel daran gelassen, dass es um Aufklärung geht, dass wir alles tun müssen, um Kinder und Jugendliche zu schützen. Und er hat sich ja auch der Begegnung mit Betroffenen immer wieder gestellt, in den Vereinigten Staaten, in England und bei uns hier, als er in Deutschland war. Ich war ja selbst dabei in Erfurt, bei dieser Begegnung. Und das gehört für mich wirklich auch zum Berührendsten, auch in der Begegnung mit Papst Benedikt, dass er nach diesem langen Tag, als er dann abends nach Erfurt kam - wir waren im Priesterseminar -, dann dieses Gespräch geführt hat, gehört hat. Und in einer ganz großen Menschlichkeit mit denen, die da als Gäste eingeladen waren, gesprochen hat. Das hat mich sehr beeindruckt, also insofern würde ich sagen, er ist jemand, der wirklich da eine ganz klare Position bezogen hat, aber auch die menschliche Anteilnahme hat spüren lassen. 


Kaess: Dennoch kommt auch jetzt Kritik, vor allem von Missbrauchsopfern. Ich habe es gerade vorhin schon zitiert, das "Netzwerk Betroffene von sexueller Gewalt" meint, zur Unterstützung der Opfer habe Joseph Ratzinger nichts beigetragen. Bleibt da also ein dunkler Fleck auf seiner Amtszeit?


Ackermann: Das ist sicher eine ganz große Belastung, und, sagen wir mal, eine einschneidende Erfahrung dieses Pontifikates, aber man muss natürlich auch dazu sehen, dass das ja Dinge sind, die zurückliegen, zum Teil sehr weit zurückliegen, dass der Papst auch an dieser Stelle ein Stück Aufarbeitung von Geschichte von Kirche zu leisten hatte. Das tut er an seiner Stelle mit klaren Prinzipien, mit klaren Anweisungen an die gesamte Weltkirche. Aber dann sozusagen die konkrete Arbeit vor Ort, und das heißt auch, die Hilfe, das heißt, das Zuhören, das Hören auf die Betroffenen, das muss ja vor Ort in den Ortskirchen geleistet werden, wie etwa auch hier bei uns in Deutschland in den Bistümern, in den Ordensgemeinschaften, das kann ja der Papst sozusagen alleine nicht leisten.