FAZ.NET-Frühkritik
Matthias Matussek gab sich einmal mehr als pausbäckiger Fraglos-Katholik, der den lieben Gott in der Hosentasche trägt und die Theologie meidet wie der Teufel das Weihwasser. „Irrsinn, Irrsinn, Gott und Hitler in einem Atemzug zu nennen“, schrie er Angelika Kallwass nieder, als sie gefragt hatte, wie die Allmacht und Güte Gottes mit Auschwitz zu vereinbaren sei.
Der Irrsinn liegt natürlich bei Matussek – bei dem, der der Kallwass berserkerhaft die Worte im Munde verdreht. Das kommt davon, wenn die selbsternannte Orthodoxie so tut, als gebe es bei den „Grundwahrheiten“ des Glaubens, so auch bei den Attributen Gottes, nichts zu interpretieren: Man bekenne Allmacht und Güte Gottes oder verlasse die Kirche! Ein Fuchteln mit der Inquisition, aufgeblasen und albern.
Altöttings mangelhafter Kosmopolitismus
Und so bekam man bei dieser Anne Will-Runde eine Ahnung davon, was es mit dem Relativismus-Ekel Joseph Ratzingers auf sich hat. Er muss eine derart appetitlose Verfrühstückung des Christentums vor Augen haben, wie wir sie gestern Abend im Fernsehen erleben konnten. Da war kein Versuch, zu irgendwelchen Gehalten jenseits der durchgeknallten Erlebnis-Perspektiven vorzustoßen. Andreas Altman breitete seine eklesiogene Neurose aus, die er sich in seinem Heimatort Altötting gefangen habe, in jener bayerischen Wallfahrtsstätte, die über ihrer Frömmigkeit ungehindert den Kosmopolitismus vernachlässige.
Wahrheit in der Kirche, Trost beim Sex
Auch Arnulf Baring (er war nach der letzten Anne Will-Sendung offenbar einfach im Studio sitzengeblieben und jetzt wieder mit von der Partie) verfiel in den gefälligen Befindlichkeitston, er schwärmte davon, als Protestant seit dreißig Jahren hinter katholischen Klostermauern Einkehr zu suchen. Eine anthropologische Konstante (Achtung: Analyse!) liege in der Sehnsucht, „die Kleinheit des eigenen Ichs zu übersteigen“. Deshalb werde Sex getrieben, gekokst oder eben ins Kloster gegangen. Barings funktionaler Religionsbegriff machte sich lieblich-grinsend in der Runde breit. Trost sei es, den er im Kloster suche und finde. Da hatte der verstorbene Romancier Walker Percy genauer hingeschaut. In der Kirche suche er Wahrheit, schrieb er, und Trost finde er beim Ficken. Wer hier die Begriffe sauber trennt, so darf man folgern, hat zumindest den besseren Sex.