Univ.-Prof. DDr. Gotthold Hasenhüttl:
Zwei entscheidende Punkte sind in den Leitlinien zu finden, die der Vertuschungspraxis wie eh und je Vorschub leisten werden.
1. ist es das Verschweigen, die Nicht-Bekanntgabe des Missbrauchs, wenn es das „mutmaßliche Opfer“ „ausdrücklich wünscht“. Wie Wünsche von Minderjährigen durch Bestechung der Eltern manipuliert werden können, ist allgemein bekannt. Geld kann vieles bewirken! Noch immer ist mir der Fernsehauftritt eines nun erwachsenen Opfers vor Augen, dem die Diözese Magdeburg 25.000 Euro angeboten hatte, wenn er auf diese Öffentlichkeit verzichtet.
2. hat der Bischof einen Missbrauch durch einen Kleriker den Apostolischen Stuhl zu melden, „der darüber entscheidet, wie weiter vorzugehen ist“ (wie es der Art. 16 der neuen „Normae de gravioribus delictis“ vom 21.5.2010 wiederum vorschreibt). Damit ist eine allgemeine staatliche Anzeigepflicht eo ipso aufgehoben, wie auch Bischof Ackermann, der Missbrauchsbeauftragte, klar erklärte.
Wo bleibt da, die in den Dokumenten vielbeschworene „Kultur der Wertschätzung, des Respekts und der Achtsamkeit“ gegenüber Kindern und Jugendlichen, den (ehemaligen) Opfern? So wie die kirchlichen Äußerungen angelegt sind, wird man den Skandal aussitzen wollen und dann wieder zur Tagesordnung übergehen. Daran ändert auch die Hotline nichts, die für die Missbrauchsopfer eingerichtet wurde. Ich habe von vielen Opfern Rückmeldungen erhalten, die zutiefst schockiert waren, da ihnen erklärt wurde, sie müssten ihre Aussagen beweisen und überdies seien die Taten verjährt. Einer sagte mir, dass er sich nun zum zweiten Mal als Opfer fühle und tief verletzt wurde. Was nützen alle Papiere und Beteuerungen, wenn nicht den Opfern der sexuellen Gewalt in der Kirche schnell geholfen wird? In seinem Irland-Schreiben empfiehlt der Papst als Wiedergutmachung „intensives Gebet“. Ich habe nichts gegen ein Gebet, aber dies als Widergutmachung in den Vordergrund zu stellen, ist unglaublich, unfassbar, ja eine Frechheit. Eine echte Wiedergutmachung ist wohl kaum möglich, aber wirklich alles für die Opfer zu tun, was ihnen hilft, wäre die Pflicht. Man muss überdies erkennen, dass alles, was Papst und Bischöfe tun, nur unter dem Druck der Öffentlichkeit geschieht. Der Tenor aller Aussagen und Handlungen bleibt, dass die Würde der Institution unantastbar ist, aber nicht die des konkreten Menschen. Der Verweis darauf, dass es auch in anderen Institutionen „schwarze Schafe“ gibt, gilt aus zwei Gründen nicht. Es wird immer innerhalb und außerhalb der Kirche Missbrauchsfälle geben, aber das erklärt nicht, warum gerade katholische Kleriker in besonders großer Zahl solche verursachen. Und dann versteht sich gerade die Hierarchie der Kirche als Hüterin der Moral, der die Vertuschungspraxis gerade in dem sensiblen Bereich der Sexualität entgegensteht. Täter werden solange es geht geschützt und Opfer daher missachtet. Selbst ein Opfer-Fond, den österreichische Bischöfe eingerichtet haben, schieben die deutschen auf die lange Bank, bzw. auf den „runden Tisch“.
© Gotthold Hasenhüttl (mit freundlicher Genehmigung)
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Gotthold Nathan Ambrosius Hasenhüttl (* 2. Dezember 1933 in Graz) ist ein in Deutschland tätiger österreichischer ehemaliger römisch-katholischer Priester, Theologe und Kirchenkritiker. Hasenhüttl war von 1974 bis 2002 Professor für Systematische Theologie. Theologisch folgt Hasenhüttl in seinen Überlegungen dem relational-dialogischen Ansatz, der Ideen des Existentialismus des 20. Jahrhunderts für die Systematik fruchtbar machen will. Er setzt sich für die Interkommunion, d.h. die gemeinsame Eucharistiefeier von Christen unterschiedlicher Konfessionen, sowie für die Aufhebung der Zölibatsverpflichtung für katholische Priester ein. Dies, sowie weitere Kritik an der „starren, fundamentalistisch orientierten Institution“ der römischen Kirche, brachte ihn in schwere Konflikte mit deren Hierarchie, die ihn 2003 als Priester suspendierte und 2006 die Lehrerlaubnis als Hochschullehrer entzog. 2010 trat Hasenhüttl formell aus der römisch-katholischen Kirche aus.
Haltung zu den Fällen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche
Hasenhüttl macht den amtierenden Papst Benedikt XVI. direkt für die systematische Vertuschung sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche verantwortlich. Als Präfekt der Glaubenskongregation habe Joseph Ratzinger – der heutige Papst Benedikt XVI. – allen Bischöfen in einemSchreiben vom 18. Mai 2001 unter Androhung kirchenrechtlicher Strafen untersagt, Missbrauchsfälle an die Öffentlichkeit zu tragen. Deswegen sei er der Hauptverantwortliche für die Vertuschung. Hasenhüttl kritisiert insbesondere den Hirtenbrief von Benedikt XVI. zum sexuellen Missbrauch in der irischen Kirche. Dies zum einen, weil er nur auf die irische Kirche fokussiere und weil Papst Benedikt die Taten „relativieren“ wolle, indem er schreibe, dass die Missbrauchsfälle kein rein kirchliches Problem seien. Als selbstverstandene Hüterin der Moral könne die Kirche nicht so argumentieren. „Wenn in Familien Missbrauch geschieht, ist das keine Rechtfertigung, dass es ihn auch in der Kirche gibt.“
Kirchenaustritt 2010
Hasenhüttl trat am 28. September 2010 im Standesamt Saarbrücken aus der römisch-katholischen Kirche aus. In einem Brief an Bischof Stephan Ackermann erklärte er, er verlasse die Kirche „als Körperschaft des öffentlichen Rechts“[1], nicht jedoch die „Katholische Kirche als Glaubensgemeinschaft“. Er sei „ausschließlich als Kirchensteuerzahler willkommen“ und eine „echte Ökumene“ würde von dieser Institution nicht angestrebt. Sollte es sich zeigen, dass die Katholische Kirche als Institution sich wieder voll an Jesu froher Botschaft orientiert, werde ich gerne in ihr meinen Platz wieder suchen.“
Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia