Freitag, 6. April 2012

„Es können sich Lösungen auftun, mit denen wir noch nicht rechnen“





- allerdings nicht, was die Thematik Kirche und Missbrauch betrifft! Und auch nicht bezogen auf alle anderen Themen, wegen denen Bischof Ackermann ins "Kreuzfeuer" geraten ist!




Zu der am nächsten Freitag beginnenden Heilig-Rock-Wallfahrt werden mehrere Hunderttausend Pilger in Trier erwartet. „Auf die Begegnung mit ihnen freue ich mich ganz besonders“, sagt der Trierer Bischof im Interview mit dem Trierischen Volksfreund. Mit Stephan Ackermann sprachen die TV-Redakteure Martin Pfeil und Rolf Seydewitz.

Herr Bischof, Sie wurden zuletzt kritisiert, weil Sie in Ihrem Bistum Priester weiter beschäftigen, die sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht haben. Warum lassen Sie sie im Dienst?

Ackermann: Ich handele in Übereinstimmung mit den Leitlinien der Bischofskonferenz, die unter breiter Beteiligung von Experten sowie im Gespräch mit Opferschutzverbänden erarbeitet worden sind. Danach kann ein Pfarrer oder kirchlicher Mitarbeiter, der sich des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schuldig gemacht hat, nicht mehr in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden. Allenfalls ist noch ein eingeschränkter Einsatz unter Auflagen möglich. So vorzugehen, dazu haben uns alle Experten insbesondere unter präventiven Gesichtspunkten geraten. Ob und wie jemand weiter glaubwürdig als Priester arbeiten kann, wenn er Missbrauchstäter geworden ist, das ist die Frage, der wir uns zu stellen haben. Auch mir selbst – das gestehe ich offen ein – sind die unterschiedlichen Dimensionen dieser Frage nun bewusster geworden.

Was ist Ihre Meinung dazu?

Ackermann: Wir haben uns vor zwei Jahren dazu verpflichtet, die Sorge um die Opfer in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen zu wollen. Das haben wir getan. Nun kreisen die aktuellen öffentlichen Diskussionen um die Täter-Frage. Diese ist bei der in den nächsten Monaten anstehenden Überprüfung der Leitlinien unbedingt zu berücksichtigen. Hier gibt es wirklich Nachbesserungsbedarf. Dafür stehe ich auch als Beauftragter der Bischofskonferenz ein.

Kommen wir zum eigentlichen Anlass des Interviews – der bevorstehenden Wallfahrt. Ist der Heilige Rock echt?

Ackermann: Der Heilige Rock ist echt. Es gibt ihn nur in Trier. Aber ob er tatsächlich das Untergewand ist, das Jesus getragen hat, oder Stoffteile davon, können wir natürlich nicht beweisen. Auch das Gegenteil ist nicht zu beweisen. Und so bleibt es in der Schwebe.

Was lässt sich das Bistum die Wallfahrt kosten?

Ackermann: Drei Millionen Euro, Personalkosten nicht eingerechnet.

Und welche Einnahmen stehen dem gegenüber?

Ackermann: Wer möchte, kann spenden. Und die Kollekten in dieser Zeit gehen zur Hälfte an die Aktion Arbeit des Bistums, und die andere Hälfte wird zur Refinanzierung der Wallfahrt eingesetzt.

Bei der Heilig-Rock-Wallfahrt gibt es ein spezielles Jugendprogramm, während Sie andererseits Geld für die kirchliche Jugendarbeit streichen. Ist das das richtige Signal für den katholischen Nachwuchs?

Ackermann: Unsere finanziellen Spielräume werden enger. Und jeder, ob Jugend, Pfarrgemeinden oder Verbände, muss einen Sparbeitrag leisten. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, Jugendliche etwa durch Gruppenstunden längerfristig zu binden. Da muss man sich auch kritisch fragen: Sind das die Strukturen, um junge Leute anzusprechen? Wie können wir das, was wir haben, besser ausnutzen? Und: Müssen wir nicht auch andere Dinge finden? Wenn ich die letzte Frage mit Ja beantworte, kann ich bei sinkenden Einnahmen nicht fraglos auf den alten Schienen weiterfahren.

Themenwechsel: Ist die Kirche immer nur eine vom Vatikan gesteuerte Weltkirche oder kann der Bischof sie gewissermaßen auch „regionalisieren“?

Ackermann: Die Kirche besteht aus den Ortskirchen, ist also dezentral organisiert. Aber kirchliche Gemeinschaft ohne Verbindung zu Rom und damit zum Papst gibt es nicht. Das Problem bei einer Weltorganisation wie der katholischen Kirche ist, dass die Zentralisierungstendenz immer größer wird. Das liegt schon allein daran, dass durch die modernen Kommunikationsmittel alle Informationen in Echtzeit überall verfügbar sind. Kommt ein Thema auf, fragt sich jeder, was sagt denn Rom dazu. Aber: Unser Kirchenverständnis ist nicht, dass die Bischöfe die Abteilungsleiter des Papstes sind.

Nutzen die Ortsbischöfe ihre Spielräume aus? Wäre es beim Thema Wiederverheiratete nicht denkbar, dass ein Bischof selbst Maßnahmen ergreift?

Ackermann: Nein, das geht nicht. Wenn ich etwas tue, muss ich immer die Vernetzung mit der gesamten Gemeinschaft bedenken. Im Internetzeitalter ist jede Aktion direkt verbreitet. Beim Thema wiederverheiratete Geschiedene geht es ja auch um das Ehe- Sakrament und die Unauflöslichkeit der Ehe, ganz fundamentale theologische Punkte also, die aber eben mit den Biografien oftmals kollidieren. Das kann ich als Bischof nicht für mich alleine lösen. Wie man vor Ort pastorale Lösungen findet, um mit Menschen umzugehen, ist wieder etwas anderes. Aber natürlich können Bischofskonferenzen ein Thema stärker angehen und auch Rom vortragen.

Warum machen Sie das denn beim Thema Wiederverheiratete nicht? Es scheint doch unter den deutschen Bischöfen weitgehend Konsens zu sein, sie wieder zu den Sakramenten zuzulassen…

Ackermann: Es ist kein Thema, dass es ein Thema ist. Es gibt immer mehr Gläubige, die ein zweites Mal heiraten, auch Kinder bekommen und dadurch in Verantwortung stehen. Ich kann nicht nur sagen: Das ist bei uns nicht vorgesehen, wir haben keine Antwort darauf.

Und wie geht es jetzt weiter?

Ackermann: Es ist nicht so einfach, gute Lösungen zu finden. Wir müssen uns dieser Problematik aber intensiv stellen. Beim Dialogprozess zur Zukunft der Kirche wird auch darüber gesprochen. Knackpunkt ist, dass klar sein muss: Wir halten an der Unauflöslichkeit der Ehe fest. Das ist das Schwierige daran.

Das klingt nicht so, als würden wir es noch erleben, dass sich in dem Punkt etwas bewegt …

Ackermann: Ich bin da nicht so pessimistisch wie Sie. Das ist ähnlich wie bei der Ökumene, wo sich vielleicht Lösungen auftun, mit denen wir noch nicht rechnen.

Früher gab es bei einer Wallfahrt einen Ablass. Warum verwehren Sie diesen jetzt den Gläubigen?

Ackermann: Das stimmt so nicht. Wer nach Trier kommt, kann einen Ablass gewinnen, wie man das in traditioneller katholischer Sprache sagen würde. Darauf, vom Papst einen besonderen Ablass, etwa einen „Jubiläumsablass“ zu erbitten, habe ich verzichtet.