Mittwoch, 30. Januar 2013

Pressemitteilung 5/13: Entscheidung des Landgerichts Osnabrück ist rechtskräftig, 30.01.2013


OSNABRÜCK. Ein Opfer von sexuellem Missbrauch kann auch heute noch Ansprüche auf Schmerzensgeld erfolgreich geltend machen, obwohl die Taten bereits Jahrzehnte zurückliegen. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 29.12.2010 zum Aktenzeichen 12 O 2381/10 bestätigt. Die landgerichtliche Entscheidung ist auf unserer Homepage www.landgericht-osnabrueck.niedersachsen.de unter „Entscheidungen" nach Eingabe des Aktenzeichens vollständig abrufbar.

Der 1976 geborene Kläger hat wegen Kindesmissbrauchs erfolgreich ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,- € gegen den heute 75-jährigen Beklagten geltend gemacht. Der Beklagte, der der Nachbar der klägerischen Großeltern war, missbrauchte den minderjährigen Kläger im Frühjahr 1988 und Anfang 1990.

Obwohl die zivilrechtliche Klage erst 2008 erhoben worden ist, ist der Schmerzensgeldanspruch noch nicht verjährt gewesen, wie das Landgericht Osnabrück erstinstanzlich ausgeführt hat. Diese Rechtsansicht, der sich in dem vom Beklagten angestrengten Berufungsverfahren das Oberlandesgericht Oldenburg angeschlossen hatte, hat jetzt auch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt, Urteil vom 04.12.2012, Aktenzeichen VI ZR 217/11. Schadensersatzansprüche verjähren zwar 3 Jahre nach Kenntnis des Verletzten von dem Schaden. Bei minderjährigen Opfern, deren gesetzlichen Vertretern die Vorfälle nicht bekannt sind, beginnt die Frist für die Kenntnis frühestens mit Eintritt der Volljährigkeit des Opfers (so die bis 2002 geltende Rechtslage). Die für den Beginn der Verjährung erforderliche Kenntnis des Geschädigten kann aber fehlen, solange dieser infolge einer durch die Verletzung erlittenen retrograden Amnesie keine Erinnerung an das Geschehen hat.

Der Kläger hat durch ein medizinisches Sachverständigengutachten beweisen können, dass er aufgrund einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung direkt nach den Vorfällen (und damit auch bei Eintritt seiner Volljährigkeit) das Geschehen komplett verdrängt hatte. Erst als die Schwester dem Kläger im April 2005 berichtete, dass sie auch von dem Beklagten sexuell missbraucht worden sei, habe der Kläger wieder Kenntnis von den Ereignissen erlangt. Erst 2005 begann also die dreijährige, kenntnisabhängige Verjährung zu laufen, so dass bei Erhebung der Klage im Jahr 2008 die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war.



Holger Janssen
Richter am Landgericht
- Pressesprecher -
Landgericht Osnabrück
Neumarkt 2
49074 Osnabrück

Quelle: landgericht-osnabrueck.niedersachsen.de