Sonntag, 30. März 2014

Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester - Ein Statement aus kirchenrechtlicher Sicht*


Prof. Dr. Norbert Lüdecke


Unbestritten gibt es sexuellen Missbrauch Minderjähriger in der katholischen Kirche auch durch nicht geweihte Männer und Frauen. Ebenso unbestritten aber verleiht der besondere Status von Priestern ihren Missbrauchsverbrechen eine besondere Qualität. Die thematische Beschränkung auf sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester soll fokussieren, nicht das Problem isolieren.Vier Punkte sind dabei in den Blick zu nehmen: Die Situation. Das System. Das Vorgehen. Die Bischöfe.


(Auszug:)

Das Muster 

Journalisten und Anwälte18, nicht die Kirche, brachten ein schockierendes Muster ans Tageslicht: Bischöfe hatten die von Jesus angekündigten Wölfe im Schafspelz erwartet. Sie  kamen aber in  Hirtenkleidern. Als sie erkannt wurden, vertrieben die Bischöfe sie nicht. Sie  schützten die Wölfe und verschafften ihnen Zugang zu neuen Weiden – manchmal auf Anraten von (allerdings zum Teil nur angeblichen) Spezialisten, manchmal aber auch gegen deren Warnungen. Berichtet wird, wie Bischöfe entweder selbst Täter waren oder sich den Opfern gegenüber arrogant, gefühllos, taub verhielten, wie sie leugneten, verharmlosten und selbst vor Gericht logen. Statt bei der Aufklärung zu helfen, be- und verhinderten sie diese.  Zu selten dokumentierten sie. Wo sie es doch taten, verschlossen sie das Material meist  klagesicher im bischöflichen Geheimarchiv und überlegten, es gegen staatliche Zugriffe auf immunes Nuntiaturterrain zu bringen. Vor Gericht taktierten sie, um nicht oder wenig entschädigen zu müssen, inzwischen nicht mehr im Gefolge ihrer Psychologen, sondern ihrer Anwälte. Immer wieder zeigte sich: Weit überwiegend änderten die Bischöfe ihr Verhalten erst unter äußerem und nicht zuletzt finanziellem Druck, seit in mehreren Wellen Diözesen und Bischöfe verklagt wurden.

Kirchenkrise auf deutsch 

Und die deutschen Bischöfe? Sie handelten erkennbar erst nach mindestens einem Jahrzehnt Strafverfolgung sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Priester aus der Zuständigkeit der Bischöfe neu geordnet hatte. Im September 2002 verabschiedeten die deutschen Bischöfe unverbindliche Leitlinien „Zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der deutschen  Bischofskonferenz“. Für Kritik daran blieben sie unempfänglich, obwohl es weiter stürmte und stürmt. Im Januar 2010 veröffentlichte der Jesuitenpater Klaus Mertes (erstmals für eine katholische Institution) einen Missbrauchsfall. Durch die anschließenden journalistischen Recherchen fassten auch in Deutschland mehr Opfer Mut. Der öffentliche Wunsch nach Aufklärung wurde immer drängender. Die Bischöfe reagierten auch jetzt nur zögerlich.  Der Blick auf die Situation zeigt: Es ging nie um ein amerikanisches Problem, nicht um eines englischsprachiger Länder, nicht um ein Problem von Orden oder Schulen, sondern um eine Glaubwürdigkeitskrise der Kirche. Verursacht sehen viele diese Krise nicht durch die Medien oder durch Kirchenfeinde, nicht nur durch die Verbrechen der Priester, sondern vor allem durch das Versagen der Bischöfe im Umgang damit.

das ganze Statement auf "zerg.uni-bonn.de" lesen

*Erweiterte und um Belege ergänzte Fassung eines Kurzvortrags beim „Podium: Sexueller Missbrauch von Kindern in pädagogischen Einrichtungen. Informationen aus der Wissenschaft“, das am 7. Mai 2010 vom
„Zentrum für Religion und Gesellschaft“ (ZERG) der Universität Bonn veranstaltet wurde. Der Vortragsstil
wurde beibehalten.