Montag, 24. März 2014

Bildquelle: Domradio
Prof. Dr. Harald Dreßing, Leiter der forensischen Psychiatrie am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim 


"Es ist für uns als Wissenschaftler eigentlich selbstverständlich, ich betone das an dieser Stelle aber noch einmal explizit: Wir werden dieses Forschungsprojekt nach strengen wissenschaftlichen Kriterien und Methoden völlig unabhängig durchführen.  Und – auch das möchte ich betonen, wir sind uns der hohen ethischen Verantwortung bewusst, die dieses Forschungsprojekt mit sich bringt." 

"Man kann das Problem des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche nicht auf eine Zahl reduzieren: „So und so viele Fälle von  sexuellen Missbrauch sind in den Personalakten der Kirchenarchive des Bistums dokumentiert.“  Das würde der Sache auch sicher nicht gerecht werden.  Wir werden daher auch nicht nur die Personalakten aus den Kirchenarchiven auswerten, das werden wir auch tun, das ist Teilmodul 6, ich werde dazu später noch referieren, sondern wir werden zunächst einmal eine sehr umfassende qualitative Bestandsaufnahme und Datenerhebung vornehmen. Wir werden auch kirchenexterne Informationsquellen nutzen: Strafrechtsakten. Das erlaubt einmal den Vergleich mit anderen Formen des institutionellen Missbrauchs und erlaubt auch eine Validierung der Daten, die wir in den Personalakten der Kirchenarchive finden. Und wir wollen der vielfältigen und facettenreichen Problematik auch in Form von semistrukturierten Interviews näher beleuchten. Die werden wir mit Tätern und mit Opfern führen.
Es ist für uns in diesem Forschungsprojekt ein ganz zentrales Anliegen, dass die Erfahrungen der Opfer schon bei der Entwicklung der Forschungsinstrumente, aber dann auch bei der Interpretation der Ergebnisse im Mittelpunkt stehen. Denn – lassen Sie mich das mal so sagen – die Opfer sind die eigentlichen Experten bei diesem Thema und deren Erkenntnisse wollen wir von Anfang an miteinbeziehen. Das wollen wir gewährleisten, indem wir einen Beirat implementieren, in dem auch Vertreter von Betroffenen mitarbeiten werden."

Zur qualitativen Bestandsaufnahme: "Für welche Jahrgänge gibt es überhaupt noch Personalakten, die uns grundsätzlich zur Verfügung stehen? Wir können da nicht davon ausgehen, dass es da lückenlose Bestände bis 1945 gibt. Es ist ja im Übrigen so, dass nach kirchenrechtlichen Vorgaben bestimmte Akten nach 10 Jahren zu vernichten sind.  Das ist im Übrigen in Klink und Forschung auch der Fall.  Das heißt, wir müssen uns erst einmal einen orientierenden Überblick verschaffen, was ist potenziell an Auswertungen möglich. In diesem Modul interessiert uns aber auch: „Gab es zum Beispiel administrative Anweisung zum Umgang mit sexuellem Missbrauch. Gab es Anweisungen zur Dokumentation von Missbrauchsfällen. Und wenn ja, wie haben die sich gegebenenfalls im Laufe der Jahre und Jahrzehnte verändert?"

"Die Datenerhebung in diesem qualitativen Modul wird in Form von Fragebögen erfolgen und in Form von Interviews, die wir mit Fachleuten in den Diözesen führen wollen." 

"Zur quantitativen Analyse der Personalakten: Wir haben dieses Modul ganz bewusst nicht an den Anfang des Projektes gestellt. Ich habe es schon erwähnt, wir müssen uns erst einmal einen Überblick verschaffen: Was gibt es grundsätzlich an Personalakten, die zur Verfügung stehen? In welcher Form ist sexueller Missbrauch dokumentiert und welche Formen sind vorgekommen?
Erst auf der Basis der Information aus den vorgeschalteten Teilprojekte macht eine quantitative Analyse einen Sinn. Aus Gründen des Datenschutzes müssen die Akten in den Kirchenarchiven durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Diözesen herausgesucht werden. Wir werden dazu ein Schulungsvideo erstellen, indem das genaue Vorgehen zur Fallanalyse beschrieben wird und in diesen örtlichen Rechercheteams wird auch eine Person sein, die die Befähigung zum Richteramt hat, so dass der entsprechende juristische Sachverstand gewährleistet ist. Diese Daten werden uns dann in anonymisierte Form an das Forschungskonsortium weitergeleitet und dann von uns weiter ausgewertet. 

Diese quantitative Analyse wird in 9 Bistümern ab 1945 oder aber ab dem Zeitpunkt, ab dem es noch Akten gibt, erfolgen und in 18 Bistümern ab dem Jahre 2000."

Quelle: PK, Bonn