Bildquelle: domradio.de
Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. h. c. Dipl. Psych. Andreas Kruse,
Leiter des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg
"Es wurde eben schon gesagt, dass sich die Interviews zum einen auf die Opfer erstrecken und zum anderen auf die Täter. Beide Gruppen sollen ausführlich in den Interviews analysiert werden. Es ist ja schon gesagt worden, dass uns die Opfer-Täter-Interaktion und eben die Opfer-Täter-Institution-Interaktion besonders interessiert. Und hier scheint uns auch die Durchführung qualitativer biografischer Interviews als das geeignete Instrument. Es geht zum einen darum, die Lebensgeschichte der Opfer bzw. der Täter differenziert zu erfassen und es geht zum anderen darum, dass wir uns ausführlich mit der Tat auseinandersetzen.
Sie finden hier auf der Folie einige zentrale Aspekte, die uns bei der Thematisierung der Lebensgeschichte besonders interessiert. Diese Aspekte erscheinen uns deswegen als notwendig, weil sofort deutlich wird, dass wir die Tat selbst nicht losgelöst von der Biografie betrachten können bzw. dass es auch ein Leben nach der Tat gab bzw. gibt. Wie haben sich die betreffenden Menschen mit der Tat auseinandergesetzt? – die Opfer, übrigens aber auch die Täter. Welche Bedeutung haben sie beispielsweise der Frage der Schuld, die Frage der Reue, der Frage der Verzeihung beigemessen.
Sie finden also hier auf dieser Folie erst einmal die biografische Analyse. Wir werden den Versuch unternehmen, möglichst differenziert dem Lebenslauf in seinem psychologischen bzw. soziologischen Aspekten nachzuzeichnen und hier auch der Frage nachzugehen, welche Bedeutung eigentlich der Gestaltung der eigenen Emotionalität, die Gestaltung der Erotik bzw. die Gestaltung der Sexualität zukommt für ein besseres Verständnis der Tat – aus der Perspektive des Opfers, aus der Perspektive des Täters.
Sie finden hier auf dieser Folie jene Aspekte, psychologische Aspekte, die uns bei der Analyse der Tat im Besonderen interessieren. Hier spielt beispielsweise die Frage eine wichtige Rolle, welche Formen der Beziehungen zwischen dem Opfer bzw. dem Täter existiert haben. Und in welcher Formen der Interaktion solche Beziehungs- und Interaktionsaspekte immer verbunden mit den Institutionen-Aspekten dazu beigetragen haben, dass es eben zu dieser Tat gekommen ist.
In diesem Kontext, ich hatte das eben schon angedeutet, spielt natürlich auch die Frage von Schuld- und Reueerleben bzw. auch die Bereitschaft zur Vergebung eine wichtige Rolle und vor allen Dingen natürlich auch die Frage, inwiefern man Unterstützung gefunden hat in Bewältigung eben dieser Tat.
Unterstützung gefunden hat in psychotherapeutischen Institutionen aber auch Unterstützung gesucht bzw. gefunden hat – oder auch nicht gefunden hat in kirchlichen Institutionen.
Ich habe Ihnen hier kurz eine Folie vorgelegt, die Ihnen zeigen soll, dass die Gewinnung von Opfern bzw. die Gewinnung von Tätern für diese Interviews eine anspruchsvolle Aufgabe darstellt, die einfach auch Rahmenbedingungen bei der Bekanntgabe des Projekts, bei der Vorstellung des Projekts erfordert, aber auch bestimmte Formen der Kommunikation im Vorfeld solcher Interviews.
Sie sehen, dass wir das Ziel haben, 100 Opfer zu befragen bzw. 70 Täter. Sie müssen sich vorstellen, Herr Dreßing hat das ja bereits schon einleitend gesagt, dass wir sehr eng mit den Opfern zusammenarbeiten wollen, wenn es beispielsweise um Frage der Entwicklung eines Kategoriensystems vorgeordnet schon um die Frage eines Explorationsleitfadens geht. Wir wollen intensiv zusammenarbeiten, wenn es darum geht, herauszufinden, ob wir die Aussagen der Opfer auch adäquat beschrieben bzw. interpretiert haben. – Ein Prozess, den man in der Wissenschaft gemeinhin „kommunikative Validierung“ nennt. Das heißt, die Ergebnisse, aber auch natürlich die Instrumente, die eingesetzt werden, sollen in intensiver Kooperation mit dem Forschungspartner entwickelt werden und diese Form der Zusammenarbeit, indem Sinne das wir die betreffenden Personen, die wir explorieren auch fragen, ob wir differenziert genug, das, was sie uns mitgeteilt haben, abgebildet und interpretiert haben, spielt auch in der Themen-Befragung eine sehr wichtige Rolle. Von daher wir als Forschungskonsortium durchaus sehen, dass die hier genannten Zahlen der Teilnehmer sehr anspruchsvoll sind, aber wir sind auch davon überzeugt, einen solchen Numerus, also eine solche Stichprobe zu ziehen, um zu verallgemeinernden Aussagen zu gelangen."
Quelle: PK, Bonn