Mittwoch, 8. Januar 2014

Bistum Trier: Beschuldigter ehemaliger saarländischer Priester wehrt sich öffentlich und verteilt Briefe an Gottesdienstbesucher

Es ist ein Novum im Missbrauchsskandal: Ein Priester, der beschuldigt wird, 1985 einen damals 16-Jährigen sexuell missbraucht zu haben, geht nach der Messe in die Offensive - er verteilt einen Brief an die Gottesdienstbesucher. Darin wirft er den Verantwortlichen des Bistums Trier Hinhaltetaktik vor. Auch das mutmaßliche Opfer und Opferinitiativen kritisieren die Aufarbeitung.

.Damit hatten die Gottesdienstbesucher nicht gerechnet: Am dritten Adventssonntag verteilte der Priester nach einer Messe im Dekanat Koblenz "Flugblätter" an die Gläubigen. Es waren die Kopien eines Schreibens, das der Geistliche ursprünglich wohl nur an Generalvikar Georg Bätzing gerichtet hatte. In dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt, schreibt der Priester, dass er des sexuellen Vorwurfs beschuldigt wird. Weiter heißt es, dass es im Januar 2013 ein "längeres Gespräch" mit dem Offizial gegeben habe und er sich zwei forensischen Gutachten unterzogen habe. "Der Vorwurf des Missbrauchs wiegt schwer. Aus meiner Sicht habe ich mir gegenüber Herrn … nichts zuschulden kommen lassen. Selbst wenn dies zuträfe, glaube ich als unmittelbar Betroffener und Mitglied des Presbyteriums eine zügige Aufklärung und einen baldigen Bescheid meines Bischofs erwarten zu dürfen", heißt es in dem Schriftstück.

Der Geistliche bemängelt "das zögerliche Verhalten der Verantwortlichen". Dies habe dazu geführt, dass er inzwischen einem Stigmatisierungsprozess ausgesetzt sei, der an die Grenzen seiner psychischen und physischen Belastbarkeit gehe. "Ich fühle mich von den Verantwortlichen hingehalten und im Stich gelassen, aus welchen Gründen auch immer", schreibt der Geistliche.- Bistumssprecherin Judith Rupp will sich zu dem Vorgehen des Priesters nicht äußern. Der Geistliche selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Im Stich gelassen fühlt sich auch Tobias D. (Name geändert). "Ich bin wütend und ohnmächtig", sagt der heute 45-Jährige. Vor rund eineinhalb Jahren hatte er beim Bistum Trier angezeigt, in einer saarländischen Pfarrei von dem Priester, der sich nun öffentlich wehrt, sexuell missbraucht worden zu sein. Mehrere Zeugen hätten dem Bistum von weiteren sexuellen Übergriffen des Pfarrers berichtet, sagt Tobias D. 

Laut Bistumssprecherin rechtfertigt der gegenwärtige kirchenrechtliche Erkenntnisstand weder ein Zelebrationsverbot noch eine Beurlaubung. "Die kirchenrechtlichen Ermittlungen dauern noch an, über den Zeitpunkt des Abschlusses können wir keine Angaben machen", sagte Rupp.

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