Die pädophilen Neigungen des Priesters Edmund Dillinger waren dem Bistum Trier schon seit den 70er Jahren bekannt. Bis 2012 hatten die katholische Kirche und das Bistum sein Treiben vertuscht. Erst danach wurde ihm der Umgang mit Kindern und Jugendlichen verboten. Nun, elf Jahre später, steht sogar der Verdacht im Raum, dass Dillinger Teil eines Kinderschänderrings war. Ein Tagebuch des Priesters, in dem er Namen von Opfern und anderen mutmaßlichen Tätern notiert haben soll, nährt diesen Verdacht
Freitag, 21.04.2023: Bischof Ackerman äußert sich im Interwiew zur Causa "Edmund Dillinger": „Da war mir klar, dass dieser Fall ganz andere Dimensionen offenbart (...) Zunächst habe man es nur mit der Spitze des Eisbergs zu tun gehabt. „Jetzt sehen wir so langsam, was noch darunter liegt“, räumt er ein. (...) Der Fall Dillinger hat eine enorme Dimension. Kann man dem noch mit Mitteln des Kirchenrechts beikommen? Oder ist das nicht ein Fall für den Staatsanwalt?Ackermann: "Beide Rechtskreise stoßen hier an ihre Grenzen: Das Kirchenrecht greift ja nicht bei einem Verstorbenen. Genauso ermittelt eine Staatsanwaltschaft auch nicht gegen einen Toten. Und sicher wird auch die Staatsanwaltschaft prüfen, ob es noch Ermittlungsansätze gibt. (...) Nur: (!) Wenn wir systematisch aufarbeiten, wie wir es seit mehreren Jahren tun, sind die Ergebnisse nicht „schön“ oder gut, sondern erschreckend. Denn es geht um die Aufklärung von Verbrechen. Für das Bild der Kirche nach außen ist das natürlich schlecht. Da geht es ja um systematisches Versagen, um Vertuschen. Eine gute, erfolgreiche Aufarbeitung bringt also erschreckende Ergebnisse. Hinzu kommt der Fall Dillinger, in dem wir ja zuvor schon gehandelt haben. Was sein Neffe jetzt nach dem Tod seines Onkels in dessen Haus gefunden hat, haben auch wir nicht gewusst. Das bricht jetzt auch über uns herein (...) (Gehen wir mal zurück in die 70er-Jahre, als Dillinger zum ersten Mal auffällig geworden ist. Später ist er dann ausgerechnet in den Schuldienst versetzt worden, wo er ständig Kontakt zu Jugendlichen hatte. Wie kann das denn sein? Ackermann: "Das ist mir natürlich auch unverständlich." Ist das damals nicht irgendwo begründet worden? Gibt es denn keine Aktennotiz? "Kommission und Forscherteam haben betont, dass es weiterer Forschungen zu Bischof Stein bedarf. Da gehört dann auch der Fall Dillinger hinein. Dann wird auch aufgeklärt, wie es zu diesen Entscheidungen kommen konnte, die uns heute den Atem stocken lassen. Dazu haben die Historiker Zugang zu allen Akten." (...) Dillingers Neffe hat im Gespräch mit der Rhein-Zeitung angedeutet, dass es im Bistum Trier noch weitere, ähnlich gelagerte Fälle geben soll, die der Kommission auch bekannt sein sollen. Was ist da Ihr konkreter Kenntnisstand? "Weitere Fälle von wiederholtem Missbrauch haben wir tatsächlich. Das ist auch schon im ersten Zwischenbericht der Aufarbeitungskommission dokumentiert. Aber in der Dimension wie im Fall Dillinger ist mir nichts bekannt. Das heißt aber nicht, dass der Kommission nicht Dinge bekannt sind, von denen ich noch nichts weiß. In ihrer Satzung ist festgelegt, dass die Kommission Anlaufstelle für Betroffene ist, die vielleicht gerade nicht mit dem Bischof in Kontakt treten wollen. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Kommission Informationen hat, die ich noch nicht kenne." (saabruecker-zeitung.de)
Donnerstag, 27.04.2023: Die erste Durchsuchung findet im Haus von Edmund Dillinger in Friedrichsthal statt. Steffen Dillinger ist anwesend. Ermittler des saarländischen Landespolizeipräsidiums und der Staatsanwaltschaft durchsuchen in dem Wohnhaus nach Hinweisen "auf etwaige konkrete noch lebende Tatbeteiligte an etwaigen konkreten verfolgbaren Missbrauchstaten". Die Durchsuchung habe in Einvernehmen mit dem Neffen des Verstorbenen stattgefunden.
Mittwoch, 03.05.2023: Polizeibeamte stellen" eine Vielzahl Asservaten" in dem Haus von Edmund Dillinger sicher. Steffen Dillinger ist hier nicht anwesend (!) Ob Zeugen anwesend waren, bleibt offen.
Donnerstag, 04.05.2023: Einen der bisher größten Missbrauchsfälle im Bistum Trier: Die Unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum Trier geht davon aus, dass es sich bei dem Fall um einen der bislang größten Missbrauchsfälle im Bistum handelt. Soweit ihm bekannt sei, erscheine dieser Fall von der Zahl der Betroffenen her der größte Fall, so der Kommissionsvorsitzende Gerhard Robbers. Robbers ist es auch, der Steffen Dillinger geraten haben soll, die Fotos zu verbrennen. Robbers streitet diese Behauptung zwar ab, kann sie letztendlich jedoch nicht widerlegen. Er behauptet, das Tonband, welches das Gespräch aufzeichnete, sei ausgerechnet an dieser Stelle des Mitschnitts von schlechter Qualität.
Donnerstag, 25.05.2023:
- mündliche (!) Anordnung des Staatsanwaltes, nicht mehr benötigtes Beweismaterial zu beseitigen.
- erstes Telefonat zwischen Kripobeamten und Steffen Dillinger (ohne Aktenvermerk)
Freitag, 26.05.2023: zweites Telefonat mit Kripobeamten und Steffen Dillinger (ohne Aktenvermerk)
Freitag, 20.06.23: Der ehemalige Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer, der den Missbrauchsfall in einem Projekt der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Trier untersuchen soll, hat am 20. Juni bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken nicht nur Antrag auf Akteneinsicht gestellt sondern auch darum gebeten, dass ihm zudem „eine Einsichtnahme“ in die Beweismittel vor Ort gewährt werde. Er habe jedoch keine Antwort erhalten.
. - (am 21. Juli heißt es: "Bisher habe ich keine Antwort auf mein Akteneinsichtsgesuch an die Staatsanwaltschaft Saarbrücken erhalten", sagte Brauer. - "Am Donnerstagabend (welcher Donnerstag?) habe ihm die Generalstaatsanwaltschaft mitgeteilt, dass über sein Akteneinsichtgesuch "zeitnah" entschieden werde.) - Am 24. Juli heißt es auf "sr.de": "Zwei von der Kommission beauftragte Sonderermittler hatten am 20. Juni einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt") ("Wir haben am 20.6. bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken Antrag gestellt, uns die Asservate zur Verfügung zu stellen und uns Akteneinsicht zu geben", berichtet Ingo Hromada dem SR. Für diese Anfrage habe er auch eine Eingangsbestätigung erhalten, dass das Anliegen bearbeitet würde. Am 6. Juli habe man beantragt, Einblick in die Akten zu erhalten, teilte das Bistum Trier auf SR-Anfrage mit. Also einen Tag, nachdem die Beweismittel verbrannt worden sind. Eine Antwort auf den Antrag habe es nicht gegeben. Dabei hätten bereits seit Mai Gespräche zwischen Bistum und Staatsanwaltschaft stattgefunden. Der Juli-Antrag des Bistums sollte den letztlich am 20. Juni gestellten Antrag der Kommission unterstützen, um gemeinsam Einsicht zu bekommen, so das Bistum.
Donnerstag, 29.06.2023: Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken teilt nur wenige Wochen nach Erhalt des sichergestellten Materials mit, dass sie voraussichtlich (!) keine Ermittlungen in der Causa "Edmund Dillinger" einleiten werde. Begründung: Aus dem Material habe sich "kein Anfangsverdacht auf noch lebende Beteiligte an konkreten verfolgbaren Straftaten ergeben". Zu diesem Schluss kam auch die externe Firma, die die sichergestellten elektronischen Medien (Laptops, Handys und Kameras) untersucht und gespiegelt habe. Diese Inhalte seien also in jedem Fall noch vorhanden. heißt es. Die Staatsanwaltschaft habe zum einen Fotos ausgewertet, die im Zuge des Verfahrens gegen den Neffen des Verstorbenen sichergestellt wurden. Zum anderen Fotos, die Ermittler im Wohnhaus des Verstorbenen sicherstellten, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Saarbrücken erläuterte.
Dienstag, 04.07.2023: 3. Telefonat zwischen Kripobeamten und Steffen Dillinger (ohne Aktenvermerk)
Mittwoch, 05.07.2023:
- Das sichergestellte Material wird in der Verbrennungsanlage Velsen verbrannt: 6850 Dias, 44 Videokassetten, 510 Negativ-Streifen, eine Festplatte, zwei Tower-PC, fünf Fotoapparate und 43 Jahres-Terminkalender (in Taschenbuchformat). - Am gleichen Tag hält der Sachbearbeiter in einem Vermerk fest: „In Absprache mit Steffen Dillinger, der als Erbe des Priesters Dillinger als rechtmäßiger Eigentümer der sichergestellten Asservate gilt, wurden die Asservaten am 5. Juli 2023 der Müllverbrennungsanlage Velsen zugeführt.“ - Dass die Vernichtung der Asservate tatsächlich "in Absprache" mit Steffen Dillinger geführt wurde, kann jedoch bis heute nicht bewiesen werden.
- Es erfolgt drt erste schriftliche Aktenvermerk: "Die Asservate seien auf Anordnung der Staatsanwaltschaft und "in Abstimmung mit dem Berechtigten (Neffe) verbrannt worden." Gravierender Mangel: bei diesem Vermerk: Es fehlt die Unterschrift des Neffen
Donnerstag, 06.07.2023: also (zufällig) einen Tag (!) nachdem die Beweismittel vernichtet wurden, stellte das Bistum Trier einen Antrag auf Einblick in die Akten. Eine Antwort auf diese Anfrage habe es - laut Bistum Trier - jedoch nicht gegeben.
Mittwoch, 12.07.2023: 7 Tage nach der Aktenvernichtung, berichtet die "Rhein-Zeitung" über eine Vernetzung von Betroffenen von Edmund Dillinger. ("In Gesprächen mit ihnen wird deutlich, dass Edmund Dillinger möglicherweise doch kein Einzeltäter gewesen sein könnte. „Edmund Dillinger war der Anführer einer Szene, die sich ihre Opfer gegenseitig zugeführt und Fotos gemacht hat. Die haben damit regelrecht geprahlt“, betont ein heute 67-jähriger Mann, der wie andere noch anonym bleiben will. „Wir leiden bis heute alle unter dem, was passiert ist.“ Wie groß diese Täterszene gewesen sei, sei allerdings nur schwer einzuschätzen. Fest stehe, dass der Kreis um Dillinger, so der Mann in einem Telefonat mit der Redaktion, in mehreren deutschen Bistümern aktiv gewesen sei, darunter dem Bistum Trier. Dillinger habe sogar nicht davor zurückgeschreckt, anderen Priestern gegen Geld Jugendliche für sexuellen Missbrauch zuzuführen. Die Treffpunkte dafür seien bekannt gewesen. Sogar zu schweren körperlichen Verletzungen eines heute noch lebenden Opfers sei es dabei gekommen.")
Donnerstag, 13.07.2023: Nur einen Tag später teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass nun doch ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt "wegen des Anfangsverdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen" eingeleitet wurde. Nach neuen Medienberichten hätten sich Hinweise auf "mögliche konkretisierbare Taten" ergeben. Man werde dieses Mal umfangreich und in alle Richtungen ermitteln ...
Freitag, 14.07.2023:
Generalstaatsanwalt Dr. Manfred Kost: "Ich bedaure dieses Vorgehen und möchte mich dafür entschuldigen." Dies sei im vorliegenden Fall „nicht die richtige Maßnahme, weil zu prüfen gewesen wäre, ob die Unterlagen noch für Vorgänge außerhalb der Strafverfolgung mit Blick auf Opferschutzinteressen und kircheninterne Aufklärungen oder gar bei neuen Ermittlungsansätzen zur Verfügung stehen sollten, auch wenn sich aktuell keine Verdachtsmomente ableiten ließen.
- Nach Bekanntwerden der Vorgänge wird am 14. Juli d Die Dienstanweisung zum Umgang mit Asservaten ergänzt. Sie habe Regelungslücken aufgewiesen und sei deswegen ergänzt worden.
- Zudem werden Verwaltungsermittlungen eingeleitet. Dabei soll überprüft werden, ob der der Kripobeamte des LPP Dezernat 213 gegen Dienstpflichten verstoß. Für Ermittlungen gegen Richter oder Staatsanwälte im Saarland sei „regelmäßig“ die Generalstaatsanwaltschaft Saarbrücken zuständig. Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft, n hat und ob gegen ihn dienstrechtliche Schritt eingeleitet werden.
Claudia Adams