Dienstag, 14. Februar 2012

Offener Brief der Saarbrücker Initiativgruppe haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der katholischen Kirche des Bistums Trier an Bischof Ackermann

An
Herrn Bischof
Dr. Stephan Ackermann
Liebfrauenstr. 1
54290 Trier

Offener Brief


der Saarbrücker Initiativgruppe haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der katholischen Kirche des Bistums Trier an Bischof Ackermann



Sehr geehrter Herr Bischof,

wir begrüßen Ihren mutigen Schritt, den konstruktiven Meinungsaustausch bezüglich der Problematik sexualisierter Gewalt in der Kirche öffentlich anzugehen. Bei der ersten offenen Gesprächsrunde mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Interessierten am 11. Januar 2012 haben wir uns als Gruppe eingebracht und auf Grund unserer Erfahrungen eine Reihe kritischer Fragen an Sie und die Vertreter der Bistumsverwaltung gestellt.

Die Fragen bezogen sich sowohl auf die bisherige Praxis im Umgang mit erwiesenen Tätern als auch auf die Problematik begünstigender Strukturen im „System Kirche“.

Das Gespräch, das zeitlich eng begrenzt war, bot kaum die Chance, tiefergehende Fragen zu diskutieren. Auch kam Ihr eigenes Anliegen einer „Kultur der Achtsamkeit“ nicht zur Sprache. Klar wurde aber, dass die Kirche in der momentanen prekären Lage dringend den Glaubenssinn des Volkes Gottes braucht. Nur in einer gemeinsamen Anstrengung, die Problematik zu begreifen, sie theologisch, strukturell und psychologisch zu beurteilen, sehen wir die Möglichkeit, zu einem Umgang zu finden, der vor allem den Opfern gerecht wird und ihnen Wege zur Heilung eröffnet. Darin liegt unseres Erachtens auch der Weg, Täter zu Schulbekenntnis und Verantwortungsübernahme zu führen. Die Frage der sexualisierten Gewalt in der Kirche und ihres Umgangs damit ist kein Problem unter anderen. Sie ist eine zentrale Frage, an der sich die Treue zum Evangelium und die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche und ihrer Amtsträger entscheiden.

Sie haben am Ende des Gespräches und noch deutlicher in der anschließenden Pressemeldung eine weitere offene Gesprächsrunde zum Thema angekündigt.

Wir möchten Sie mit unserem Brief daran erinnern und Sie bitten, das recht zeitnah zu tun. Allerdings halten wir es für angemessen, Termin und Ort so zu planen und zu legen, dass Ehrenamtliche kommen können. Und im Interesse der Transparenz, die Sie anstreben, die die Zulassung der Presse zu dieser Runde sehr sinnvoll.

Die offengebliebenen Fragen aus der ersten Veranstaltung fügen wir diesem Schreiben zur Erinnerung wieder bei.

Wir hoffen auf baldige Rückmeldung Ihrerseits.

Für die Saarbrücker Initiative

Heiner Buchen


Saarbrücken, 10. Februar 2012


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Brief an Bischof Ackermann (Dezember 2011)


An Herrn Bischof
Dr. Stephan Ackermann
Liebfrauenstr. 1
54290 Trier

Sehr geehrter Herr Bischof,

am vergangenen Donnerstag, den 15.12. 2011, hat sich eine Gruppe von rund 40 haupt- und ehrenamtlichen kirchlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Saarbrücken getroffen, um miteinander über die Vorfälle in Saarbrücken-Burbach zu sprechen. Dieses Treffen war ein notwendiger Resonanzraum für die tiefe emotionale und pastorale Irritation, den Zorn, die Scham und die Bestürzung, die vor allem in Saarbrücken, aber auch darüber hinaus um sich greifen. Empörung kam in vielfältiger Form zum Ausdruck, nicht nur über die Vorfälle selbst, sondern auch über die Interpretation der Richtlinien der Deutschen Bischofskonferenz, die offensichtlich eher zugunsten des beschuldigten Priesters ausgelegt worden sind.

Angestoßen durch das Treffen am 15.12.2011, wollen wir Ihnen folgende Fragen stellen:
- Wie konnte ein Priester, dessen Übergriffe und sexualisierte Gewalttaten seit Januar 2011 bekannt waren, weiterhin im pastoralen Dienst bleiben?
- Warum wurde es nicht als geschmacklos empfunden, dass er im Juni mit Wissen des Generalvikariates einen neuen Kindergarten einweihen durfte?
- Wieso wurde ihm im September 2011 ein feierlicher Abschied, mit breiter kirchlicher und außerkirchlicher Öffentlichkeit ermöglicht, statt die Gemeinde in Kenntnis zu setzen?
- Wie kann es sein, dass gegen die Richtlinien der Bischofskonferenz verstoßen wurde, was in der Missachtung der Opfer und im Mangel an Entscheidung bzgl. der Täter zum Ausdruck kommt?
- Wie kann es sein, dass man den spirituellen und pastoralen Schaden nicht sieht, der dann entsteht, wenn ein Priester, der missbraucht hat, in der Gemeinde Eucharistie feiert, Sakramente spendet und als geistliche Bezugsperson im Amt bleibt?
- Wie kann die Bistumsleitung überhaupt an Kürzungen in der selbstorganisierten Jugendarbeit denken, die in vorbildlicher Weise Präventionsarbeit leistet und durch ihre Form von Jugendarbeit Kinder und Jugendliche stärkt?
- Nimmt die Bistumsleitung nicht wahr, welche Signale damit an die Jugendlichen, die Eltern und an die Öffentlichkeit gehen?
1- Wer übernimmt die Verantwortung für die Fehler, die in den vergangenen Jahrzehnten in der Personalverwaltung des Bistums gemacht wurden und deren Folgen bis heute spürbar sind – zumindest für die Opfer?
- Werden Priester, die sexuell übergriffig geworden sind, vorzugsweise in der Krankenhausseelsorge eingesetzt, oder wie ist es anders zu verstehen, dass es bzgl. des Pfarrers aus Lebach-Gresaubach in der
Erklärung von Herrn Generalvikar Holkenbrink lediglich heißt: „Aus heutiger Sicht war es sicher ein Fehler, dem Beschuldigten die Leitung einer Pfarrei anzuvertrauen.“?
- Wenn es demnach kein Fehler war, ihn vorher jahrelang in der Krankenhausseelsorge einzusetzen, müssen wir Sie fragen: Ist Ihnen bewusst, welche verheerende Wirkung diese Praxis auf das Ansehen der katholischen Seelsorge in den Krankenhäusern unseres Bistums hat?
Ferner scheinen uns folgende grundsätzliche Fragen unaufschiebbar:
- Warum braucht es immer den Druck von außen, ehe die Bistumsleitung bereit ist, Fehler zuzugeben?
- Wann kommt es zur echten Einsicht in die Notwendigkeit, die Praxis der Kirche „am Kind (und Jugendlichen) in der Mitte“ zu orientieren?
- Wann wird die längst notwendige Umkehr beschritten von einem falschen Verständnis von Macht hin zur biblisch begründeten Solidarität mit den Opfern?
Damit es in Zukunft wirklich zu nachhaltigen Veränderungen kommen kann, halten wir es dringend notwendig:
- dass die Bearbeitung von Missbrauchsfällen – auch die aus der Vergangenheit – von einer unabhängigen Stelle übernommen wird.
- Dass es eine unabhängige, außerkirchliche Beschwerde- und Schiedsstelle im Bistum gibt, die bei Konflikten und tiefen Verunsicherungen angerufen werden kann.
- Dass es über die Klärung von Einzelfragen hinaus eine ernsthafte Diskussion über die Strukturen begonnen wird, die Missbrauch begünstigen, ideologisch stützen oder sogar decken.
- dass es endlich eine unabhängige Frauenbeauftragte für unser Bistum gibt.

Die Unterzeicher und Unterzeicherinnen sind überzeugt, dass die Kirche im Bistum Trier nach diesen tiefen Erschütterungen über die Klärung von Einzelfragen hinaus auch die Frage nach Strukturen, die Missbrauch begünstigen, ideologisch stützen und teilweise decken, stellen muss.

Wir erwarten, dass Sie mit den Menschen in Saarbrücken das Gespräch suchen und dass darüber hinaus, der von Ihnen eröffnete Dialogprozess im Bistum Trier für die grundsätzlichen Fragen zur strukturellen und geistlichen (geistige?) Verfasstheit der Kirche Raum bieten wird.

Mit freundlichen Grüßen