Samstag, 25. Februar 2012

Katholiken und Protestanten fragen sich kopfschüttelnd: „Welches Signal wird da ausgesandt???“





  • Nach katholischem Verständnis gehört der Ablass zum absoluten „Herzstück“ einer jeder Wallfahrt.    ( Bußtat -> Pilgerreise -> Beichte –> Kommunion -> Gebet im Anliegen des Papstes = Sündenablass)
  • Erstmalig nach jahrhundertelange Tradition raubt Bischof Ackermann der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 dieses Herzstück, um nach eigener Aussage  die neuen „ökumenischen Beziehungen nicht zu konterkarieren“. (Skurilerweise wird das Verb „konterkarieren“ synonymisch mit „durchkreuzen“ ersetzt (autsch!)). 
  • Was Bischof Ackermann und – wie könnte es auch anders sein – auch sein Pressesprecher Kronenburg bei den derzeitigen „Vibrationen des Bischofs“ offensichtlich nicht bemerken wollen, ist folgende Tatsache: Nichts ist heilig an dem Rock zu Trier. Dabei ist diese Aussage noch ausgesprochen harmlos, denn Luther hatte es schließlich deutlicher formuliert:  Er sprach damals von der „Bescheyßerei zu Trier“.  
  • Auf der Landessynode in Bad Neuenahr bekam selbst Präses Schneider jetzt den Unmut aus den eigenen evangelischen Reihen zu spüren:  Mehrere Delegierte äußerten Zweifel daran, dass eine Wallfahrt zu einer Reliquie mit protestantischen Grundsätzen im Einklang stehe. Ein Diktum von Margot Käßmann, der ehemaligen Ratsvorsitzenden, variierend ("Nichts ist gut in Afghanistan"), formulierte ein Synodaler: "Nichts ist heilig an dem Rock zu Trier".
  • Der Vorsitzende der Evangelischen Sammlung im Rheinland, Pfarrer Wolfgang Sickinger (Mülheim/Ruhr), nannte die evangelische Beteiligung an der Wallfahrt verwunderlich: „Dem Trierer Bischof Stephan Ackermann sei zwar ein echtes ökumenisches Interesse abzunehmen. Aber ob diese spirituelle Wallfahrt der richtige Ort ist, um Ökumene herausgehoben zu praktizieren, da bin ich mir nicht so sicher“, sagte Sickinger. Schon zu Lebzeiten Martin Luthers (1483-1546) sei diese Wallfahrt kritisiert worden. Sickinger fragt ebenso irritiert wie berechtigt „Welches Signal wird da ausgesandt?“
  •  Professor Dr. Mühling, Trier, fasst darum auch die Kritik der Reformatoren folgerichtig zusammen: „Die evangelischen Theologen, nicht nur der Reformationszeit, lehnen daher ein Wallfahrtsverständnis ab, welches 
    • 1.  ein magisches Denken impliziert, 
    • 2.  im Glauben an Ablässe die sogenannte Werkgerechtigkeit forciert,
    • 3.  Christus aus dem Leben der Gläubigen verdrängt, und 
    • 4. kirchenpolitisch als Ausdrucksform eines kämpferischen Katholizismus verstanden wird. Diese kritischen Einwände haben bis heute ihre bleibende Bedeutung."
  •   Evangelischen Christen, die an der Wallfahrt teilnehmen wollen, rät Mühling, „den Christus-Charakter der Wallfahrt im Blick zu behalten und zu reflektieren, was der gemeinsame Christus für dich im Leben und für uns alle bedeuten kann“.
  •  Die Ökumene-Expertin der Evangelischen Kirche im Rheinland, Barbara Rudolph, hat die Trierer Heilig-Rock-Wallfahrt als eine „gegenseitige Zumutung“ bezeichnet
  • Warum also beteiligt sich die evangelische Kirche an der Wallfahrt? EInes ist klar und muss doch vielleicht in aller Deutlichkeit noch einmal vorweg gesagt werden:  Die Heilig-Rock-Wallfahrt ist eine römisch-katholische Veranstaltung, Träger ist das Bistum Trier. Anders als z.B. beim Ökumenischen Kirchentag, der gemeinsam von den Kirchen verantwortet wurde, ist hier eine Kirche Gastgeber, die andere Kirche, bzw. die anderen Kirchen, sind Gäste. Mitglieder aus evangelischen, freikirchlichen und orthodoxen Kirchen sind an der Vorbereitung beteiligt und, vor allem in den ökumenischen Veranstaltungen, intensiv involviert. Aber Alleinveranstalter ist und bleibt das Bistum Trier
  • Es kann durchaus sein, dass in manchen katholischen Pfarrgemeinden die Wallfahrt weniger als Chance für die Ökumene denn als römisch-katholische Selbstvergewisserung wahrgenommen wird.
  • In einer Mischung aus Neugierde und evangelischer Nüchternheit, in der vielleicht auch eine Spur von Überheblichkeit zu finden ist, können Protestanten und Protestantinnen sich Auslagen in Devotionalienläden anschauen. Es gibt nicht wenige katholische Geschwister, die diese Distanz ebenso empfinden, nicht nur zum frommen Kitsch, sondern auch zu der Reliquie selbst und zur Wallfahrt. Ja, es gibt katholische Mitchristinnen und -christen, die regelrecht enttäuscht sind, dass die Evangelische Kirche bei diesem - und jetzt zitiere ich - „mittelalterlich anmutenden und leider noch fortbestehenden „Geläuff“, wie Martin Luther es ausgedrückt hat, mitmacht.
  • Es ist darum sicher eine gute protestantische Haltung, dass man aus theologischen Gründen oder ebenso aus Gründen der Fremdheit nicht an den Veranstaltungen der Wallfahrt teilnimmt.
  • Luther (1520, aus „An den christlichen Adel deutscher Nation“): „O wie schwere, elende Rechenschaft werden die Bischöfe geben müssen, die solchen Teufelsspuk zulassen und Nutzen davon 3 empfangen! Sie sollten die ersten sein, die diesem wehrten; aber so meinen sie, es sei ein göttliches, heiliges Ding, und sehen nicht, dass der Teufel solches treibt, um die Gier zu stärken, falschen, erdichteten Glauben aufzurichten, Pfarrkirchen zu schwächen, Tavernen und Hurerei zu mehren, wodurch sie unnütz Geld und Mühe verlieren, und nur das arme Volk an der Nase herumzuführen“
  • Auch reformierte Theologen lehnten Wallfahrten ab: Zwingli wegen der „Werkgerechtigkeit“ (Auslegung der Thesen 1523), Calvin wegen des magischen Verständnisses der Reliquien, das er als Götzendienst abtat (1543). Und Bullinger sprach davon, dass „sehr viel Abgeschmacktes, Unnützes und völlig Unerträgliches“ zu finden sei (Confessio Helvetica Posterior, 15. Kap., 1566).
  • Nach Jahrhunderten der Abgrenzung, nach langer Zeit der römisch-katholischen Selbstdarstellung, die mit der Wallfahrt im Jahr 1844 ihren Höhepunkt fand, gab es 1996 die  herzliche und dringliche Einladung von Bischof Spital an Präses Beier, sich gemeinsam auf den Weg zu machen: und zwar nicht gegeneinander - sondern miteinander. Es war die Einladung an die ärgsten Kritiker der Wallfahrt, diese alte kirchliche Tradition nun in einer Weise neu  auszulegen. Das muss man sich erst einmal zumuten – auf beiden Seiten. Es musste  zunächst manches aus dem Weg geräumt werden, was sich in den Jahrhunderten angesammelt hatte. Dazu gehörte unter vielen anderen Aspekten, dass die Echtheit des „Heiligen Rockes“ entmythologisiert wurde. Der neue Flyer der Wallfahrt von 2012 spricht lediglich von einem „Symbol“.
  •  Schon Ulrich von Hutten sprach vom „alten, lausigen Wams“, während andere vom „heiligen Lappen“ sprechen
  • "Pardon, Herr Bischof Ackermann, aber Heilig-Rock-Wallfahrt ohne Ablass - das ist Oktoberfest ohne Bier"




Fazit: Die Welt der Reliquien ist eine ganz seltsame. Es scheint ein menschliches Bedürfnis danach zu geben, das Göttliche in Gegenständen erblicken zu wollen. Ziel: Heil und Erlösung. Dies an solches wäre noch nicht einmal zu verurteilen, wenn nicht Betrug und Geschäftemacherei hinter solch einer Inszenierung stünden und ein ebenso eindeutiges Bestreben, jene gutgläubigen und bedürftigen Menschen für dumm verkaufen zu wollen.