Mittwoch, 27. Juni 2012

"Denn sie wissen nicht, was sie tun - oder doch?"

In dem Artikel heißt es unter anderem:

"(...) Die Katholische Kirche hat in ihren Leitlinien zum Vorgehen beim sexuellen Missbrauch von Kindern im Jahre 2002 festgelegt, dass ein Beauftragter der Kirche mit dem Tatverdächtigen Gespräche führt und mit dem (mutmaßlichen) Opfer oder den Erziehungsberechtigten Kontakt aufnimmt, um dann zu entscheiden, wie zu helfen ist und wie weiter vorgegangen werden soll.
Damit wurde eine außerstaatliche Ermittlungsinstanz geschaffen, die eine interne Handhabung entsprechender Vorkommnisse vorgab und dadurch zu einem verbreiteten Verschweigen und Vertuschen entsprechender Vorkommnisse beitrug. In den überarbeiteten und verschärften Leitlinien von 2010 wurde festgelegt, dass der Beauftragte das mutmaßliche Opfer bzw. seine Erziehungsberechtigten darauf hinzuweisen hat, dass ein Verdacht möglicherweise den Strafverfolgungsbehörden mitgeteilt wird (was durchaus als Drohung verstanden werden könnte). Diese Mitteilung erfolgt den überarbeiteten Leitlinien zufolge dann nicht, wenn es dem (möglicherweise nicht allzu schwer herstellbaren) Wunsch des mutmaßlichen Opfers bzw. dessen Erziehungsberechtigten entspricht.
Formulierungen dieser Art werden es weiterhin ermöglichen, dass Hinweise auf den sexuellen Missbrauch von Kindern nicht angezeigt sondern vertuscht und verschwiegen werden.

Könnte doch sonst der gute Ruf der Kirche erneut in Gefahr geraten oder mehr als ohnehin schon der Fall, beschädigt werden!
Spätestens die Enthüllungen und der Skandal wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in katholischen Einrichtungen Deutschlands im Jahre 2010 machten deutlich, dass die von den katholischen Bischöfen bei der Herbstkonferenz des Jahres 2002 verfassten Leitlinien mit ihren 16 Punkten völlig ungeeignet waren, um den sexuellen Missbrauch Minderjähriger hinter Kirchenmauern einzudämmen oder gar zu verhindern.
Vielmehr bildeten diese Leitlinien eine durchaus geeignete Grundlage für das verbreitete Verschweigen, Verdrängen und Vertuschen einschlägiger Vorkommnisse hinter Kirchenmauern. Der Not gehorchend wurden von den katholischen Bischöfen nach dem Bekanntwerden von zahlreichen Missbrauchshandlungen durch Kirchenangehörige in den verschiedensten katholischen Einrichtungen am 23. August 2010 neue, auf 55 Punkte erweiterte und verschärfte Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedet. 
Trotz der Erweiterungen, Konkretisierungen und Verschärfungen lassen diese Leitlinien weiterhin zu, dass Hinweise auf den sexuellen Missbrauch von Kindern kirchenintern geregelt werden, so dass weiterhin ignoriert, verschwiegen und vertuscht werden kann. Auch sie scheinen also wenig geeignet, diese Kriminalität zum Nachteil der Kirche anvertrauter Kinder einzudämmen oder zu beheben. Der Tag wird kommen, so ist begründet zu vermuten und zu befürchten, an dem auch diese Leitlinien die Katholische Kirche wieder einholen werden. (...)"
Manfred Paulus, Erster Kriminalhauptkommissar a.D. Ulm/Donau



Quelle:  VDP / "Die Kriminalpolizei" - "Denn sie wissen nicht, was sie tun - oder doch?" / Juni 2012