Mittwoch, 20. Juni 2012

"missbrauchte Hotline"




Am 30.03.2010 schaltete die katholische Kirche medienwirksam eine "Holine für Opfer und Angehörige sexuellen Missbrauchs".  Innerhalb von nur  3 Wochen wurde ein vermeintlich "tragbares Konzept" erarbeitet. Ein gewisser Herr Dr. Andreas Zimmer,  "Leiter des Arbeitsbereichs Beratungsdienste beim Bistum Trier" gab ein 2seitiges statement zu der Hotline ab.  Unter anderem sollte sie als "Türöffner" zu den jeweiligen Bistumsbeauftragten - im Bistum Trier also Peter Rütten -  fungieren. Fatalerweise! Denn:  wer als Opfer und Betroffener sexuellen Missbrauchs durch Angehörige der katholischen Kirche tatsächlich an Peter Rütten geriet, der hatte nachweislich noch mehr zu leiden.

Opfer und Betroffene - damals auch noch offiziell die Angehörigen - wurden also gebeten,  nach dem Motto "wenn schon, denn schon" am DIenstag, Mittwoch und Donnerstag zwischen 13.00h und 20.30h  dort anzurufen.  Ab Mai 2012 bitte nur noch mittwochs melden: und zwar zwischen 15.00h und 19.00h.  Die Hintergründe, mit denen man sich diese Anrufe erbat, liegen allerdings bis heute völlig im Unklaren. Immerhin hatte man von Seiten des Bistums damit ein äußerst gutes Instrument gefunden, zu manipulieren: Sowohl die Zahlen als auch die Fakten. 

Nachdem die ersten Erfahrung mit der "missbrauchten Hotline" bekannt wurden, sahen verständlicherweise viele davon ab, sich an die Hotline zu wenden. Und wer es doch wagen wollte, dem Bistum vorab Informationen zukommen lassen zu wollen und somit das Risiko einging, dass die gesammelten Informationen später gegen ihn verwendet werden, der geriet unaufhaltsam in eine Statistik,  die erneut medienwirksam repräsentiert wurde:

Im Oktober 2010 wurde der sogenannte "Zwischenbericht"  veröffentlicht. Äußerst unglücklich formuliert wurde der sogenannte "Stichtag" mit dem 25.10.2010 angegeben. Also ca. 6 Monate nach Schaltung der Hotline entschloss man sich, folgende  Angaben zu veröffentlichen:  (Quelle DBK): 




Der sogenannte  "Einführungstext"  beschreibt in 2 Sätzen, wie versucht wurde, Antworten zu geben. Und zwar auf die Fragen: "Gibt es Hinweise zur Frage der Prävention?" und "Gibt es Hinweise zur Frage der Betreuung von Opfern?"   Nun gut - es bringt einen nicht weiter - ob es an der Formulierung liegen mag oder an den Geistern, die offensichtlich nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte waren, als sie diesen "Einführungstext" formulierten, sei jetzt einmal dahingestellt. 

WIr rufen also "Teil 1 - Arbeitsweise der Hotline auf":  Hier werden sogenannte "Erfahrungsweisen und Logistik", "Personalauswahl" und "Statistik" angegeben. Wenn man sich die Punkte und Unterpunkte einmal durchliest, muss man als Opfer und Betroffene bereits schlucken. Und Tränen unterdrücken.  Von "erfahrenen Beratungskräften" ist hier die Rede. Als solcher kann sich inzwischen unsereiner übrigens auch bezeichnen!  Man könne sich über strafrechtliche Fragen informieren. (!). Wird aber auch zugleich hingewiesen, dass man sich an einen Anwalt wenden sollte.  Hinweise und Vorschläge der Opfer, was die Prävention beträfe, werde man selbstverständlich nach Bonn weiterleiten.  Des weiteren erfährt man dort über den Schichtplan der Telefon-Experten und dass der Anrufbeantworter rund um die Uhr erreichbar ist. Immerhin.  Außerdem wird mehrfach für die Lebensberatungsstellen Eigenwerbung gemacht (die wiederum viele Menschen wahrscheinlich erst gar nicht aufsuchen müssten, wenn sie nicht vom sexuellen Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche betroffen wären, bzw. als Angehörige darunter zu leiden hätten!).  Besonders emotional könnte es allerdings werden, wenn man den Fragebogen  sieht, welcher bei jedem Telefonat  ausgefüllt wird.  Aus rein "statistischen Zwecken" - versteht sich!  Nein. Nicht falsch verstehen! Ich finde es enorm wichtig, dass es da ein Feld gibt, in dem der Angerufene ankreuzen kann, ob es sich um einen "Sexanrufer/Belästigungsanruf " handelt, wenn sich Opfer, Betroffene und Täter melden....

Bleibt zu wünschen, dass die Mitarbeiter der Hotline über eine höhere Qualifikation verfügen, als derjenige, der für miserable  Syntax und Orthografie des "Zwischenberichts" verantwortlich ist.  Dies zeugt weder von Fachmännigkeit noch von Verantwortungsbewusstsein, noch von Gewissenhaftigkeit, noch von ernsthaftem Bemühen.  Aber was soll's - es geht ja hier nur um die katholische Kirche und das Thema Missbrauch. Also: Hat man hier wirklich Kompetenz erwartet? 

Weiter: die ganz Mutigen rufen jetzt sogar noch "Teil 2" auf:  Es ist soweit:  Endlich werden statistische Daten angegeben.  Zahlen lügen nicht. Ebenso wie Tränen - denkt manch einer.

Doch spätestens als auf epidemiologischen Dunkelfelduntersuchungen verwiesen wird  - allerspätestens dann -  fällt auf, mit welchen infamen  - Opfer und Betroffene diffamierende  - Daten manipuliert wird. Allein schon, dass die  "katholische Kirche" angibt, auf Daten eines  "Dunkelfeldes"  zurückzugreifen, ist an  Hohn kaum noch zu überbieten.   Weiter fragwürdige Zahlen werden angegeben. So wird offensichtlich erwartet, dass Opfer, die - lt. Statistik -  erst einmal "stabilisiert" werden mussten, im selben Telefonat auch Vorschläge machen, was die Prävention betrifft.

Schon klar!  Fühlen wir uns auch alle in der Lage dazu. Wenn die Retraumatisierung einsetzt ist für Opfer und Betroffene der beste Zeitpunkt dafür, klar und analytisch zu denken.  Wann denn sonst, Ihr "Experten"! Anders formuliert:   Wir  haben alle auf die Hotline gewartet. Was hätte uns besser passieren können? Das war genau der Meilenstein, der uns noch gefehlt hat! Jetzt sind wir alle Sorgen los. Wir konnten Experten kontaktieren, - insofern die Leitung nicht durch die eigenen Täter belegt waren - ,  ihnen unser Leid schildern und unsere Lebenssituation, die aufgrund der Taten eingetreten ist. Sofern wir uns an die Geschäftszeiten hielten, selbstverständlich.  WIr konnten abends guten Gewissens einschlafen, völlig "stabilisiert" in dem Bewusstsein: "Jetzt wird sich etwas ändern. Der Alptraum ist endgültig vorbei".  "Der Skandal hat endlich ein Ende gefunden. Ebenso wie das zweite Verbrechen, das an uns begangen wurde!" .  Ja, wir waren quasi glücklich, dass wir aufgrund der hohen Anzahl derer, die sich für einen Anruf entschieden haben, überhaupt durchkamen! Und wenn es heute nicht klappt, dann bestimmt morgen, spätestens übermorgen. Ok. Dann ist Wochenende und keiner erreichbar. Dann eben nächste Woche.  Ist ja alles kein Problem. Ist ja auch nicht so dringlich. Und unsereiner kann auch jederzeit und überall das Thema darüber berichten, was mit uns geschah. Ein paar Fragen beantworten, ein paar Einzelheiten zu dem Tathergang und das ganze noch völlig analytisch:  ist doch alles kein Problem für uns. Das machen wir ungefähr jede Stunde 48 mal und sind schon richtige Profis, wenn uns jemand darauf anspricht. Und Nein! Wir haben keine Hemmungen. "Schweigen" stellt für uns ein Fremdwort war.  Nein, wir schämen uns auch nicht dessen, was uns angetan wurde. Und zu jemandem Vertrauen aufzubauen, der sich telefonisch als Mitarbeiter der katholischen Kirche ausgibt, das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Kein Argwohn. Keine Skepsis.  Im Gegenteil: Locker, fröhlich, plaudern wir frisch und frei von der Seele, was wir über Jahrezehnte hinweg verschwiegen haben. Was wir unterdrückt haben. Was wir bekämpft haben. Was uns krank gemacht hat. Was unsere Herkunftsfamilien zerstört. Und worunter unsere Kinder noch ihr Leben lang zu leiden haben werden. Wie gesagt - null problemo: Ihr seid so was von klasse, Jungs - das macht euch so schnell keiner nach!


Jetzt aber weiter zu der Statistik: Da gibt es einen Punkt 2.5.3. "Meldungen nach Diözese".  




Eine Grafik, die ins Auge springt, da sich aus dem Bistum Trier fast doppelt so viele Personen meldeten, wie nach Anteil der Katholiken prozentual zu erwarten gewesen wäre. Hoppla! Was hat das zu bedeuten? Vielleicht hat sich ja auch hier ein Fehler eingeschlichen. Wenn man nachweislich schon so auffallend viele Probleme mit der Aneinandereihung der Buchstaben hat, hat sich vielleicht auch einmal ein Zahlenfehler eingeschlichen und das Tabellenbearbeitungsprogramm hat übernommen.

Also, fragen wir einmal den Verantwortlichen, Herrn Dr. Andreas Zimmer, was sich hinter dieser Zahl "73" tatsächlich verbirgt:

DIe verheerende Antwort erfolgt ebenso umgehend wie offensich unüberlegt und lautet wie folgt:

"Ihre Frage ist zugleich ein Hinweis, dass wir das im Abschlussbericht genauer erklären müssen." 

Weiter im Antwortschreiben heißt es wörtlich: 

"Es ist z.T. leichter zu sagen, was die 73 nicht bedeutet:
- Es ist nicht die Gesamtzahl aller, die sich gemeldet haben. Nur diejenigen, die (1.) etwas berichteten, was statistisch erfasst werden konnte und die (2.) wollten, dass ihr Bericht erfasst wurde.
- Es ist nicht die Zahl der Taten. Einmaltaten wurden nur wenige berichtet, vielmehr ging es im Regelfall um Deliktserien die bis zu einem Jahr oder mehrere Jahre andauerten.
- Es ist nicht die Zahl der Täter. Diese können wir nicht dokumentieren, da nur ein Teil der 73 den Täter benannt haben bzw. benennen konnten. Dennoch lässt sich sagen, dass z.T. mehrere Betroffenen denselben Täter beschuldigten.
- Es ist keine repräsentative Zahl, sondern die Abbildung der Inanspruchnahme. D.h. es zeigt wieviele Menschen aus dem Bistum angerufen haben, aber daraus kann nicht geschlussfolgert werden, wieviele Fälle es gab. Dies soll erst das Pfeiffer-Projekt klären.
Die Zahl ist auch nicht danach unterschieden, ob die beschuldigten Täter Diözesanpriester, Ordensleute, Bistums- (Lehrer usw.) bzw. Pfarrangestellte (Küster, Kirchenmusiker, Hausmeister usw.) oder Ordensangestellte (Heimerzieher usw.) waren. Dies wird erst in der Schlussauswertung aufgeschlüsselt.
Es ist wichtig zum Verständnis auch die zeitliche Reihenfolge zu beachten: wir waren für viele die erste Anlaufstelle. Vom Ablauf her nahmen die Personen also im Regelfall mit uns Kontakt auf, bevor sie sich an das Bistum wendeten. Zum Zeitpunkt des Anrufes gab es vor allem den Wunsch zu erfahren, wo man Therapie und Beratung erhalten konnte. Der Kontakt mit dem Bistum stand erst an zweiter Stelle. Daher liegen also auch nicht in allen Fällen vollständige Fakten oder Berichte vor. Denn die Anrufenden wurden nicht befragt sondern konnten selbst entscheiden, was sie sagen wollten. Bei einer Detailauswertung im Abschlussbericht kann daher nur eine kleinere Zahl zugrunde gelegt werden.
Wie es für die Betroffenen im Kontakt mit dem Bistum weiterging erfuhren wir nur, wenn sich Betroffene erneut meldeten oder über die Internetberatung kontinuierlich Beratung nutzten. Das tat aber nur ein kleiner Teil.
Gezählt wurden nur glaubwürdige Anrufe aus Sicht des psychologischen Fachpersonals am Telefon bzw. im Internet. D.h. Personen mit wahnhaften Zügen wurden hier z.B. nicht gezählt. Dabei erfolgte aber keine Glaubwürdigkeitsprüfung im aussagepsychologischen Sinn. Die Verantwortung für die Plausibilitätsprüfung liegt bei den Missbrauchsbeauftragten der jeweiligen Träger (Bistum oder Orden). Insoweit war es auch eine häufige Frage, wer zuständig ist. Der Grund dafür liegt darin, dass die Personalakten der Beschuldigten jeweils nur bei den Trägern vorliegen und mit den Angaben der Anrufenden abgeglichen werden können.
Die Frage der materiellen Anerkennung wiederum stellte sich vom Ablauf her noch später.
D.h. ob alle 73 beim Bistum oder beim Orden vorstellig wurden und dort als Opfer anerkannt wurden und ob alle 73 Anträge gestellt haben und Zahlungen erfolgten, dazu haben wir keine Infos. Da müssten sich sich an Herrn Rütten oder Frau Lauer wenden. Zumindest ist aber bei uns kein Anrufender nochmals vorstellig geworden, der vom Bistum nicht anerkannt wurde. 
Beantwortet das Ihre Frage?
mit freundlichen Grüssen,
Dr. Andreas Zimmer"
Nein. Herr Zimmer! Dies beantwortet meine Frage nicht. Im Gegenteil! DIese Antwort wirft weitere Fragen auf! Also erneute Nachfrage - 2. Versuch - meinerseits: 
"Ich danke Ihnen!

1. "Wahnhafte Züge" ? Ich möchte diesen Ausdruck jetzt nicht missinterpretieren, aber das liest sich jetzt so, als ob es Personen gab, die sich bei der Hotline meldeten und Ihrerseits (seitens der Hotline) als "wahnhaft" eingestuft wurden, sprich, denen nicht geglaubt wurde. Können Sie das ausschließen?

2. Wie soll ich mit den Daten der Opfer verfahren,  die sich nachweislich nicht an das Bistum bzw. die Hotline gewandt haben (aus meines Erachtens verständlichen Gründen), die jedoch dennoch von sexuellen Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche im Bistum  betroffen sind? Soll ich mich diesbezüglich direkt mit Herrn Prof. Dr. Pfeiffer in Verbindung setzen? Es gibt etliche, die in der Statistik miterfasst  und somit ein Zeichen ihrerseits setzen wollen, die jedoch kein Vertrauen in die Aufklärungsarbeit des Bistum Trier haben. Betroffene, die z.B. weder eine finanzielle Anerkennung möchten, noch gewillt sind, sich erneut mit der katholischen Kirche auseinanderzusetzen.
3. Noch einmal meine Frage aus der letzten email: Wer ist für die Plausibilitätsprüfung eines Antrags zuständig? Der Missbrauchsbeauftragte eines Bistums vor Ort oder die Experten in Bonn?
So, das waren jetzt aber nun wirklich die allerwichtigsten Fragen meinerseits.
Liebe Grüße,
Claudia Adams"
Seitdem herrscht Funkstille. Mit dem letzten Sonderabgeordneten des Bistums Trier, der noch wenige Wochen zuvor von Bischof Ackermann gesandt wurde, mit dem Auftrag - so wörtlich - zu "sondieren" -, Das aufschlussreiche Protokoll dieses Sondierungsgespräches wird folgen. 

Fakt ist: Es wurde ein Zwischenbericht veröffentlicht und ebenso medienwirksam wie  glauhaft versucht, eine Fülle von Angaben zu präsentieren, deren Daten die Verantwortlichen nachweislich in Erklärungsnot bringt.

Wenn dann noch der gewisse Herr Dr. Andreas Zimmer meint, vor wenigen Tagen behaupten zu müssen, die ebenso seiner Mitverantwortlichkeit unterliegende Arbeit der Fachgruppe zu Prävention sexuellen Missbrauchs als "nächsten Meilenstein"  für die Präventionsarbeit im Bistum Trier bezeichnen zu müssen, fragt man sich doch tatsächlich und berechtigterweise: "Wie bitte soll denn die Prävention überhaupt noch mit Glaubwürdigkeit in Verbindung gebracht werden?", nachdem die sensiblen Daten der Hotline bereits missbraucht wurden?

Der letzte Teil des Zwischenberichts bezieht sich auf die Fragen:  "Gibt es Hinweise zur Frage der Prävention?" (!!!)  und "GIbt es Hinweise zur Frage der Betreuung von Opfern?" (!!!). Wem es gelingt,  nicht länger den kausallogischen Zusammenhang dieser Fragen verstehen zu wollen und weiterliest, kann dann folgendes lesen: 

Entgegen der Behauptung  von Herrn Dr. Andreas Zimmer ("Wir haben uns bewusst für eine Opfer-Hotline entschieden. Es ist aus fachlicher Sicht notwendig, Angebote für Täter und Opfer klar zu trennen") , wurde die Hotline offensichtlich auch von der Täterseite genutzt. Und zwar mehrfach. Klasse! Und Opfer und Betroffene wunderten sich schon darüber, wieso die Hotline ständig besetzt war! 

Die Täterstragien entsprachen übrigens "den bisher bekannten." - Klasse, Herr Zimmer!  Allein, um dies festzustellen, hat sich die Schaltung der Hotline bereits gelohnt.  Lassen wir die Sektkorken doch gemeinsam knallen! 

Nur noch eine kleine Frage  am Rande: Wenn die Täterstrategien "den bisher bekannten" entsprachen, ließ man uns dann nicht ins offene Messer laufen?