Montag, 2. März 2015

Erbistum Köln / Erftstadt (16): offizielle Stellungnahme der Gruppe "Solidarität mit den Opfern des Pfarrers"

offizielle Stellungnahme 
zu den öffentlichen Solidaritätsaktionen
 für Pfarrer Winfried Jansen in Erftstadt/Liblar


Mit erheblichem Befremden und immer größer werdendem Unverständnis beobachten wir seit Anfang Februar die öffentlichen Solidaritätsaktionen eines großen Teils der katholischen Gemeindemitglieder von Pfarrer Jansen in Erftstadt-Liblar/Blessem.

Nachdem der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass Pfarrer Jansen bezichtigt wird, vor 40 Jahren schwerwiegende sexuelle Grenzverletzungen über mehrere Jahre an einem damals 9jährigen Mädchen begangen zu haben und von der Erzdiözese Köln vom Dienst suspendiert wurde, erhitzten
sich die Gemüter der Erftstädter Kirchengemeinde des Pfarrers.

Vertreter des Erzbistums Köln haben erklärt, die Anschuldigungen bereits vor einem halben Jahr eingehend geprüft und beide Seiten mehrmals angehört zu haben. Sie befanden die Aussagen der geschädigten Frau für glaubhaft und plausibel.

Pfarrer Jansen gab daraufhin eine öffentliche Erklärung ab, in der er die Anschuldigung nicht per se
leugnete, sich aber im gleichen Atemzug als Opfer einer unbarmherzigen Kirchenrichtlinie und vorverurteilt sah.

Diesem Einfluss unterliegend fanden daraufhin mit fast schon kindlich-naivem Enthusiasmus zahlreiche öffentliche Solidaritätsaktionen wie etwa die Unterschriftensammlung „Wir wollen unseren Pfarrer zurück“, ein Schweigemarsch oder das Verteilen von Solidaritätsarmbändchen statt, die teilweise im Namen aller Erftstädter durchgeführt wurden bzw. durch die Berichterstattungen in den verschiedenen Medien das Bild ergeben können, dass sie durch alle Bürger der Stadt Unterstützung fänden.

Wir möchten uns hiermit mit aller Deutlichkeit von diesen in unseren Augen beschämenden Aktivitäten distanzieren!

Bei aller Nachsicht über den Schock einer Kirchengemeinde, die ihren langjährigen und anerkannten Pfarrer verloren hat und nun vor den Trümmern einer bisher äußerst erfolgreichen Gemeindearbeit steht - hier wird der mutmaßliche Täter geschützt. Eine Kirchengemeinde spricht ihren Pfarrer von seiner (selbst eingestandenen) Schuld der jahrelangen sexuellen Grenzverletzung fei, indem sie seine Vergehen mit seiner aufopferungsvollen Kirchenarbeit verrechnet und dabei sexuelle Grenzverletzungen als bloßes Kopftätscheln oder Auf-den-Schoß-setzen verniedlicht. Diese Sichtweise änderte sich auch leider kaum, nachdem sich zwei weitere betroffene Frauen meldeten.

Für die mutmaßlichen Opfer, deren Beweggründe und Empfindungen hierbei völlig außer Acht gelassen und verhöhnt werden, ist dies erneut demütigend!

Wir sind fassungslos darüber, dass sich die vehementen Unmutsäußerungen der JansenAnhängerschaft nicht nur gegen die – in unseren Augen richtige und endlich einmal konsequente – Entscheidung des Erzbistums Köln richten, sondern besonders die geschädigten Frauen in zahlreichen Kommentaren verschiedener Internetforen beschuldigt, beleidigt und diffamiert werden, indem ihnen Geltungssucht und Habgier vorgeworfen und die emotionalen Auswirkungen der zum Teil jahrelang ertragenen Grenzüberschreitungen bagatellisiert werden.

Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Opfer von sexuellen Übergriffen!

Und es hat nichts mehr mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu tun, sondern es werden hier weitere Grenzen überschritten.Darüber hinaus ist es beschämend, dass sich die offiziellen Vertreter der katholischen Kirchengemeinde von diesen schamlosen Diffamierungen bis zum heutigen Tage nicht mit einem einzigen Wort der Distanzierung und Entschuldigung öffentlich geäußert haben. Für viele Betroffene ist es ein schwerer Schritt, sich mit ihren traumatischen Erlebnissen der Öffentlichkeit zu offenbaren und dabei zählen nicht die Jahre, die es bis zu diesem gebraucht hat. 

Ihnen sollte Respekt und Anerkennung für diesen mutigen Schritt entgegen gebracht werden.

Leider ist dieser Respekt in Erftstadt bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu spüren. Wir empfinden das, was in den letzten Wochen in Erftstadt passiert ist, als schändlich und entwürdigend!

Entwürdigend für die mutmaßlichen Opfer, die nicht nur dem mutmaßlichen Täter, sondern auch seiner ihn verteidigenden Meute ausgesetzt sind.

Entwürdigend für den Pfarrer, der erst durch den Druck zweier weiterer Zeugenaussagen einen kurzen Satz der Einsicht und der Entschuldigung verlauten ließ, jedoch in seinen Abschiedsworten an
die Gemeinde (aktueller Gemeindeberief März-Mai 2015) vornehmlich sich selbst bedauert. Desweiteren lässt er den dringenden Aufruf an seine Anhängerschaft zur Besonnenheit und Mäßigung sträflich vermissen.

Entwürdigend für einen Großteil der katholische Pfarrgemeinde, der nach wie vor die Augen verschließt, das Gemeindeoberhaupt weiterhin mit z.T. unerträglichen Parolen („Je suis Winfried“- Plakat im Karnevalszug) unterstützt und sich anscheinend nicht im Klaren darüber ist, welchen Schaden die zahlreichen Solidaritätsaktionen bei den mutmaßlichen Opfern, der Stadt Erftstadt, für sie selbst und letztlich auch für ihren Pfarrer angerichtet haben.

Wir möchten hiermit in aller Deutlichkeit erklären, dass nicht alle Menschen in Erftstadt die laut propagierten Ansichten der Pfarrer-Jansen-Anhängerschaft teilen!

Wir wünschen uns für alle Beteiligten eine sachliche und vor allem gerechte Auseinandersetzung der
bekanntgewordenen Fälle in den dafür zuständigen Kirchenrechtsgremien. Für die katholische Pfarrgemeinde Erftstadt-Liblar/Blessem wünschen wir uns eine reflektierte und ehrliche Aufarbeitung der Verfehlungen ihres Pfarrers und den Auswirkungen auf die gesamte Stadt.

Den mutmaßlichen Opfern, die an die Öffentlichkeit getreten sind, möchten wir hiermit unser aufrichtiges Mitgefühl, unseren Dank und unseren Respekt für diesen couragierten Weg zum Ausdruck bringen. 

Wir wünschen ihnen weiterhin viel Kraft, Stärke und ein gutes Umfeld, das sie in dieser schweren Zeit auffängt.


Daniela Göbbels, Rolf Bodewig, Esther Göbbels, Laura Göbbels, Debbie Spölgen, Heike Engel, Claudia Adams, Claudia Brasse, Claus Rusicke, Uwe Hotz, Yvonne Hotz, Andreas Roos, Gitte Peters, Martina Schulz, Stefan Schulz, Nadine Omer, Holger Roth, Hermann-Josef Kimpel, Inge Martin, Jessica Lentzer, Beate Liedemann, Sabine Scollo, Leonard Scollo, Monika Piotrowski, Silvia Zacherl, Dagmar Kneip, Annegret Grawunder, Uschi Spicka 

und weitere Mitglieder und Freunde der Gruppe „Solidarität mit den Opfern des Pfarrers"


03.03.2015