Sonntag, 17.03.2013, 21:27h
Seit Monaten spürend, dass noch ein Teil im Puzzle fehlt.
Eine Begebenheit, die zu tief in meinem Bewusstsein verankert ist, als dass ich die grausame Erinnerung daran als solche auch „beiseite legen“ und abspeichern könnte.
Eine einzige Begebenheit, die sowohl meine Seele als auch meinen Körper beeinträchtigt.
Den Geschmack von den Bonbons im Kindergarten von damals im Mund. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich seit Nächten nur ein Bild vor mir: Wie der Priester seinen schwarzen Talar hochhebt.
Hinzu gesellt sich heute der Geruch des Priesters selbst. Unangenehm.
Es gibt jetzt genau zwei Möglichkeiten: Entweder, das, was hochkommen möchte, zulassen – oder aber: weiterhin verdrängen.
Ich entschließe mich dazu, zuzulassen.
Liege auf dem Sofa. Die Katze schnurrend auf meinem Bauch.
Ich möchte hinschauen. Mehr als das. Riechen. Schmecken. Fühlen. Durchleben.
Im Hinterkopf: Hier und Jetzt.
Meine Atmung wird flach. Die Anspannung steigt. Ich gehe dem Geschmack des Bonbons nach und dem Geruch des Priesters.
Will ich die Bilder, die jetzt auf mich zukommen könnten, tatsächlich sehen? - Ja. Ich will!
Das Herzklopfen wird stärker, ich spüre den Puls, sämtliche Muskeln sind angespannt. Ich bin im Hier und Jetzt. Tief in meinem Hals spüre ich einen Widerstand. Steif und hart. Mein Kopfhaltung ist starr. Aber nicht die richtige. Ich muss meinen Kopf ein wenig zur Seite drehen, spüre den Widerstand. Meine Muskeln inzwischen nahezu steif. Alle. Kaum noch Atmung. Meine Handgelenke tun weh. Das linke mehr als das rechte. Ich spüre weiter: Meine Handgelenke werden zusammen festgehalten. Von einer stärkeren Hand.
Im Hinterkopf: Hier und Jetzt.
Mein kleiner Körper von damals windet sich - vergeblich. Festgehalten und fixiert. Von der starken Hand des katholischen Priesters.
Mein Kiefer fängt an, zu schmerzen. Ich versuche, die Zähne aufeinander zu beißen und die Lippen fest aufeinanderzupressen. Doch es gelingt mir nicht. Stattdessen öffnet sich mein Mund, soweit er kann. Die Kieferknochen scheinen kurz davor zu sein, sich auszurenken – nein, ausgerenkt zu werden. Durch die Gewalt des katholischen Priesters.
Ich bekomme keine Luft mehr.
Meine Bauchmuskeln scheinen sich wehren zu wollen und kontraktieren. Immer heftiger.
Ich höre auf zu Atmen (…).
Nehme noch wahr, wie der kleine Körper versucht, sich zu wehren - vergeblich.
Und beginne, nichts mehr zu spüren.
Mein ganzer Körper ist steif. Wie tot.
Nach zwei, drei Minuten ist es vorbei.
Mein Mund ist wieder frei. Ich atme wieder.
Vielleicht mehr ein Reflex, als der tatsächliche Wunsch, wieder am Leben zu sein.
Im Alter von 3 Jahren.
Hier und Jetzt. Bewusstsein.
Überlebenswichtiges Noradrenalin wird ausgeschüttet.
- 38 Jahre später.
Alles ist gut.
Es ist vorbei. Das letzte Puzzleteil.
"Es ist vollbracht".
ca