Lange Zeit schwieg die katholische Kirche den Missbrauch durch Priester tot. Im Jahre 2002 forcierte sie die Aufklärung. Der frühere Missbrauchsbeauftragte Monsignore Scicluna hat nun erklärt, die Fälle seien „wie ein Tsunami“ über ihn hereingebrochen.
Der langjährige Missbrauchsbeauftragte des Vatikans, Charles Scicluna, sprach in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erstmals ausführlich über seine Arbeit in Rom. Scicluna war 2002 bis 2012 für die kirchenrechtliche Bearbeitung der an den Vatikan gemeldeten Missbrauchsfälle zuständig.
Durch eine Neuregelung mussten Missbrauchsfälle aus den Bistümern ab 2002 im Vatikan gemeldet werden. „Die schiere Masse der Fälle, die nach den neuen Bestimmungen in Rom gemeldet wurden, war wie ein Tsunami“, sagte Scicluna. 2003 seien es 800 Fälle gewesen, 2004 noch einmal 700. Das vorgesehene Verfahren für die Fälle sei äußerst komplex gewesen. Er habe sich deshalb an den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger gewendet, und diesen um Fürsprache bei Papst Johannes Paul II. gebeten. „Wir können diese Masse von Fällen nicht mit einem Regelwerk bewältigen, das so komplex ist, dass es drei oder vier Verfahren im Jahr zulässt. Wir haben zwei bis drei neue Fälle am Tag“, habe er zu Ratzinger gesagt.
Als Konsequenz aus der großen Zahl sexueller Gewalttaten von Klerikern gegen Schutzbefohlene sagte Scicluna: „Alle müssen lernen, Geistlichen nicht blind zu vertrauen. Sie sind Menschen wie Du und Ich, mit Stärken und Schwächen...".