Dienstag, den 27. März 2012 um 05:24 Uhr
Es ist manchmal schon ein arges Kreuz mit seiner Kirche. Ostern steht vor der Tür und Christen bereiten sich weltweit auf ihr wohl wichtigstes religiöses Fest vor. Doch ausgerechnet in Deutschland dringt ein neuer Kirchenskandal an die Oberfläche. Wie der Spiegel in der aktuellen Ausgabe berichtet, beschäftigt das Bistum Trier sieben pädophil auffällig gewordene Pfarrer. Pikant: Der Bischof in Trier ist Stephan Ackermann, seines Zeichens erst 2010 von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gewählter Missbrauchsbeauftragter in Deutschland.
Die Kirche war zu sehr mit dem Schutz der Täter beschäftigt
Problematisch ist, dass die Kirche bisher vielleicht zu sehr um den Schutz der Täter und somit um das Image der eigenen Institution bemüht war. Der Schuss ist gehörig nach hinten losgegangen, das Restvertrauen erschöpft. Da Homosexualität als eine Krankheit oder zumindest als nicht natürlich angesehen wird, gilt dasselbe für die Pädophilie. Ein Tabu, das meist innerkirchlich totgeschwiegen wird.
In der Kirche gibt es keine Stelle, an die sich pädophile Priester vertrauensvoll mit ihrer Krankheit wenden können. Diese Spirale aus Verschweigen und Selbstbelügen führt meist direkt in die Katastrophe. Auch die sonstige Sexualmoral der katholischen Kirche, die Verdammung des Eros, steht einer zwanglosen Auseinandersetzung mit dem Missbrauch in den eigenen Reihen gegenüber. Um Missverständnisse vorzubeugen: Das Zölibat ist für Männer Gottes durchaus richtig und erhaltenswert. Auch das Mahnen der Kirche in einer übersexualisierten und hedonistischen Zeit ist berechtigt. Doch sorgt der verkrampfte Umgang mit dem Eros zu keiner wirklichen Auseinandersetzung mit sexuellen Themen.
Dabei gibt es auch im Christentum genügend Anknüpfungspunkte für ein Sexualmoral-Update, angefangen mit dem Hohen Lied der Liebe im Alten Testament, das eine erotische, voreheliche Liebesbeziehung beschreibt. Auch Jesus kritisierte in seinen Predigten das patriarchalische Geschlechterverhältnis in der Ehe und noch das antike Christentum distanzierte sich von der leibfeindlichen gnostischen Ideologie, welche alles Materielle mit dem Bösen verband. Auch ohne verdrehte Exegese ist der Zusammenhang zwischen Nächstenliebe und Gottesliebe in den normativen Texten des Christentums überdeutlich. Im Johannesbrief steht: „Wer sagt, dass er Gott liebt, und seinen Nächsten nicht liebt, der liebt Gott nicht.“ Demnach gibt es kein striktes Entweder/Oder, Gottesliebe kann problemlos in der partnerschaftlichen Liebe erfahren werden.
PR-Berater gesucht
Der Umgang der Kirche mit den Vorwürfen ist mehr als dilettantisch und mutet nicht nur für Atheisten realitätsfremd an. Natürlich, „mein Reich ist nicht von dieser Welt“, aber das gilt leider nicht für die Kirche und das Bodenpersonal. Denn das ist leider sehr wohl von dieser Welt und allen Fehlbarkeiten des Menschseins unterworfen. „Hasse die Sünde und liebe den Sünder“ heißt es in der Bibel an anderer Stelle. Ein wirklich toller und idealistischer Satz, den viele wohl in Anbetracht der Widerwärtigkeit von Kindesmissbrauch nicht nachvollziehen können.
Hier ist der Kirche nur zu raten: Ja, liebt auch den Sünder. Meinetwegen auch den pädophilen Priester. Aber bietet ihm auch Plattformen. Gebt ihm die Chance, sich therapeutisch mit seiner Krankheit auseinanderzusetzen. Ein einfaches Wegparken von auffällig gewordenen Geistlichen an andere Orte oder in andere Einrichtungen ist falsch verstandene Nächstenliebe und hilft weder den Opfern, noch den Tätern. Von der Kirche und ihrem Image ganz zu schweigen. Vielleicht würde eine PR-Agentur hier für wahre Wunder sorgen, denn augenscheinlich kriegt die Kirche in dieser Angelegenheit keinen Fuß auf den Boden.
Jüngst wurde in Bonn einer katholischen Kindergartenleiterin gekündigt, weil sie geschieden ist und mit einem neuen Partner zusammenlebt. Man reagierte prompt und kündigte daraufhin die kirchliche Trägerschaft für den Kindergarten. So schnell kann es gehen. Mit dieser Haudrauf-Mentalität wird es den Hirten auch in Zukunft schwerfallen, den Schafen zu erklären, warum solche Banalitäten wie in Bonn zu einem Rauswurf führen, pädophile Priester aber weiterhin im Dienst der Kirche wirken dürfen. Wenn hier kein Umdenken oder ein sensiblerer Umgang stattfindet, dann braucht sich die Kirche über den Mitgliederschwund und die leeren Gotteshäuser nicht wundern.