Sonntag, 7. Januar 2018

Bistum Trier / Schweiz: «Nicht alle in der Kirche haben den Ernst der Lage erkannt» - Welches Risiko trägt die Kirche, wenn sie ­Übergriffe intern regelt?




Welches Risiko trägt die Kirche, wenn sie ­Übergriffe intern regelt? 
Dazu der St. Galler Staatsanwalt Elmar Tremp im Interview.

"Ich glaube, dass in der Kirche auch heute noch nicht alle wirklich den Ernst der Lage erkannt haben – und nicht wissen, wann sie einen Verdacht melden müssen.Ich warne die Kirchenleute mit Nachdruck davor, in ernsthaften Fällen selbstständig Abklärungen zu treffen. Die Vertreter der Kirche, die solche Untersuchungen führen, sind zwar im Kirchenrecht gut ausgebildet, das macht sie aber nicht zu kompetenten Ermittlern. Es beginnt allein schon damit, dass sie oft nicht verstehen, wann ein Verdachtsfall ein Offizialdelikt ist, der Staat also untersuchen muss."

Bei Übergriffen auf ­Minderjährige muss die Kirche zwingend die Justiz einschalten. Bei Erwachsenen nicht. Deshalb und weil die Opfer nicht wollen, kommt es kaum zu Anzeigen. Was halten Sie davon?
Das ist ein wunder Punkt. Und es gibt Argumente dafür und dagegen. Als Strafverfolger kann es aber nicht mein Kernproblem sein, was das Opfer meint. Denn es könnten weitere Opfer betroffen sein – und die muss ich zu schützen versuchen. Zudem kann man nicht von vornherein wissen, ob ein Opfer durch eine Anzeige retraumatisiert würde. Ich kann mit der Opferhilfestelle dafür sorgen, dass Betroffene gestärkt werden. Sie haben spezielle Informations- und Schutzrechte, die ich beachten muss.

Welches Risiko trägt die Kirche, wenn sie ­Übergriffe intern regelt?
Noch ist das rechtlich nicht im Detail geprüft. Es kommt auf die konkreten Umstände an. Aber es ist gut möglich, dass die Kirche eine Garantenpflicht hat und der Bischof sich strafbar macht, wenn er ein Offizialdelikt nicht meldet.

den vollständigen Artikel auf " tagesanzeiger.ch" lesen


  • Zwar liefert die Bischofskonferenz auf Anfrage Statistiken, die zeigen, dass es seit den 50er-Jahren bis heute zu Vergewaltigungen, Schändungen und Nötigungen gekommen ist. Doch was bedeuten diese nackten Zahlen? Wo, in welchem Pfarramt, in welchem Kloster, in welchem Bistum, haben sich diese Vorfälle zugetragen? Was ist genau ­vorgefallen, und was ist mit den Tätern passiert? Wir wissen es nicht. Es ist zudem anzunehmen, dass sich viele ­Opfer bis heute nicht getrauen, von ihrem Leid zu berichten. Es wäre auch nachvollziehbar, wenn sie sich nicht ­ausgerechnet an jene ­Institution wenden ­wollen, deren Vertreter sie ­missbraucht und ­verraten haben. Die Dunkelziffer dürfte deshalb hoch sein. Fraglich ist auch, ob wirklich alle Übergriffe schonungslos aufgeklärt werden. Denn aus Rücksicht auf die Opfer werden sie zum Teil ­kirchenintern abgeklärt statt an die Justiz weitergeleitet. Das ist heikel. Es wäre deshalb Zeit, mit Strafverfolgern neue Wege zu suchen, um gegen Beschuldigte zu ermitteln, ohne die Opfer zu belasten. Das lässt sich machen, sagen ­Opferberaterinnen und Ermittler. ("Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht, endlich alles zu erfahren", tagesanzeiger.ch)