Die katholische Kirche der Schweiz hat dank Meldungen von Opfern in den letzten Jahren gegen 200 Priester und Personen im kirchlichen Umfeld identifiziert, die sexueller Übergriffe beschuldigt werden. Ein Teil der Täter ist bereits tot. Ihre Taten liegen Jahrzehnte zurück. Doch der Kirche werden laufend neue Beschuldigte bekannt, denn Opfer berichten von neuen Vorfällen. Von den gegen 250 gemeldeten Missbrauchsfällen für den Zeitraum von 1950 bis heute ereigneten sich mindestens 25 in den letzten sieben Jahren (!).
Die Bischöfe können gegen Beschuldigte Sanktionen ergreifen. Zahlen der Bischofskonferenz zeigen, dass sie in den letzten sechs Jahren zwei Beschuldigte verwarnt haben, zwei erhielten ein Rayonverbot, drei wurden aus dem Kirchenamt entlassen, einer suspendiert, und einem weiteren wurde eine Aufgabe zugewiesen, bei der er keinen Kontakt zu potenziellen Opfern hat. Sechs Beschuldigte machten eine Therapie.
Der Bischof von Basel ist in seinem Bistum verantwortlich für den Umgang mit Beschuldigten und Tätern. Eine schwierige Aufgabe, wie er sagt. Bei der Frage, welche Massnahme man treffe, fällt den Bischöfen mit Unterstützung von kirchlichen Fachgremien die schwierige Aufgabe zu, die Rückfallgefahr eines Täters einzuschätzen. Therapieberichte könnten dabei helfen. Doch Bischof Gmür winkt ab: «Solche Berichte sind zwar in schönem Deutsch verfasst, aber sie tönen für mich als Nichtfachmann manchmal etwas schwammig. Es wird bei der Beurteilung einer Rückfallgefahr viel im Konjunktiv geredet – könnte, sollte, müsste und vielleicht –, weil man es eben hier nicht mit harten Fakten zu tun hat. Wie schätze ich die Gefahr also ein?»
Schwierig sei dies vor allem, wenn die Einsicht fehle. «Es gibt immer wieder Beschuldigte, die mir erzählen, der Übergriff sei ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Sie sagen: ‹Ich hätte nie gedacht, dass ich das tun könnte›, oder: ‹Es war nichts Grosses, ich würde nie mehr so etwas tun›. Das ist nicht die wahrhaftige Einsicht, die es braucht, damit wir sicher sein können, dass es nicht mehr vorkommt», sagt Gmür. "Das ist ein Dilemma. Ich frage mich immer wieder: Was mache ich mit solchen Seelsorgern?"