Donnerstag, 25. Mai 2023

Bistum Aachen / Bistum Trier: Leonhard Meurer war 17 Jahre lang im Bistum Trier als Seelsorger tätig und reiste in dieser Zeit - entgegen ursprünglicher Auflagen - 14 Mal nach Afrika

  • In den 60er Jahren werden erstmals schwere Missbrauchsvorwürfe gegen den Aachener Priester laut
  • Der Pfarrer wurde noch im Monat des Bekanntwerdens "seiner aus Sicht des Bistums ohne Wenn und Aber" zu „verurteilenden“ Taten in den Ruhestand versetzt
  • Nach vergeblichen "Versetzungsversuchen" in andere Bistümer landet er 1966 schließlich im Bistum Trier, wo er 17 Jahre lebte und tätig war
  • Vom Bistum Trier aus reiste er zudem zwischen 1968 und  1980 vierzehn Mal nach Afrika, obwohl ihm dies jedenfalls zu Beginn der 1960er Jahre im Zusammenhang mit den Vorgängen betreffend das erste bekannt gewordene Opfer untersagt worden war. 
  • 2011 meldeten sich weitere Opfer des Priesters





 In dem Gutachten des Bistums Aachens heißt es zu "Fallbeispiel Nr. 9": 

"Zu Beginn der 1960er Jahre wurden gegen den Pfarrer Missbrauchsvorwürfe erhoben. Der konkrete Inhalt dieser Vorwürfe ergibt sich aus den Akten nicht. Ihnen ist lediglich zu entnehmen, dass es sich bei dem Opfer um ein minderjähriges Mädchen gehandelt haben dürfte. Insoweit traten insbesondere zwei Personen, wohl nächste Angehörige des Opfers, vehement auf und forderten die Entfernung des Pfarrers aus der Pfarrei. Seitens eines hochrangigen Mitarbeiters des Bistums wurde in Ansehung dieser Geschehnisse zu einem späteren Zeitpunkt mit Blickrichtung auf die Taten des Priesters Folgendes festgehalten:

„Ich brauche nicht noch einmal zu betonen, dass wir alle die Schwere des Falles sehen. Es ist niemand, der nicht das Verhalten verurteilte.“ Der Pfarrer wurde noch im Monat des Bekanntwerdens seiner aus Sicht des Bistums ohne Wenn und Aber zu „verurteilenden“ Taten in den Ruhestand versetzt. Die dem betroffenen Pfarrer insoweit erteilte Auflage, sich in ein Kloster zu begeben, führte zunächst zu Schwierigkeiten. Letztendlich konnte jedoch ein Kloster gefunden werden, das ihn aufnahm. In diesem Kloster kam es allerdings sehr schnell zu Unstimmigkeiten zwischen der Konventsleitung und dem Pfarrer, weshalb seitens der Leitung des Generalvikariats und des Bischofs Überlegungen im Hinblick auf die weitere Verwendung des Pfarrers angestellt wurden. Diese Überlegungen wurden dem zuständigen Ordensoberen circa zehn Monate nach dem Bekanntwerden der Vorgänge wie folgt geschildert:

„... In der vergangenen Woche war es endlich möglich, zu einer kleinen Personalkonferenz zu kommen. Bischof und Generalvikar sind sehr unglücklich über die Situation unseres Mitbruders. 
Wenn uns auch der Zeitpunkt für eine Wiederbeschäftigung in der Seelsorge zu früh erscheint, so können wir uns doch nicht ihren Argumenten verschließen. U. E. käme eine Tätigkeit in der ordentlichen Pfarrseelsorge nicht in Frage. Tragbarer mag die Beschäftigung im Dienst einer Knabenschule sein. Es müsste aber erstrebt werden, ihn wirklich mit Arbeit auszufüllen. Deshalb wäre eine gleichzeitige Verpflichtung, gewisse gottesdienstliche Verpflichtungen regelmäßig zu übernehmen, sehr erwünscht. Hier ist gewiss nicht daran gedacht, die Sorge um diesen Mitbruder auf andere abzuschieben. Bei der unverminderten Aufmerksamkeit der Betroffenen und anderer, die genauer informiert waren, ist es unmöglich, an eine Tätigkeit in einem unserer Nachbarbistümer zu denken, von unserem Bistum ganz zu schweigen. Deshalb bittet unser Hochwürdigster Herr  Bischof herzlich um Ihre Vermittlung, um im Bistum …, Exzellenz würde sogar die Stadt … für günstiger als andere Orte ansehen, weil er glaubt, dass dort mehr verpflichtende Geborgenheit vorhanden ist, eine geeignete Stelle zu erhalten. … Um Ihnen die Beurteilung zu erleichtern, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass – wie ich erst jetzt erfahren habe – bereits auf der ersten Stelle die geistige Haltung keine andere war als diejenige, die zu den realen Fakten geführt hat.“ (Hervorhebungen durch die Gutachter)

Aufgrund des letzten Absatzes dieses Zitats steht nach Einschätzung der Gutachter fest, dass dieser Pfarrer offenkundig auch schon vor dem hier geschilderten Sachverhalt sexuell missbräuchlich agiert hatte. Der beschriebene Plan wurde sodann ein Jahr nach der Versetzung des Pfarrers in den Ruhestand umgesetzt. Der Pfarrer wurde in dem weiter entfernten Bistum als Religionslehrer eingesetzt, allerdings nicht in einer reinen Knabenschule. Darüber hinaus wurde dem Pfarrer durch das Bistum auch eine
Beichtvollmacht erteilt, wobei diese jedoch auf begründete Ausnahmefälle beschränkt sein sollte.
Die nahen Angehörigen des ursprünglichen Opfers des Pfarrers erlangten jedoch Kenntnis von diesem Vorgehen des Bistums und drängten gegenüber dem Bistum, aber auch der Schule, an der der Pfarrer tätig war, darauf, diese Tätigkeit des Pfarrers wegen der Vorgeschichte unverzüglich zu beenden. Auf Intervention der Schulaufsichtsbehörde wurde sodann diese Tätigkeit des Pfarrers auch tatsächlich beendet. Insbesondere hatten die nahen Angehörigen des ersten bekanntgewordenen Opfers gegenüber den involvierten kirchlichen Repräsentanten in diesem Zusammenhang damit gedroht, eine Strafanzeige wegen der früheren Vorgänge zu erstatten.

Die zwischen den beiden betroffenen Bistümern vor und nach diesem Vorgang geführte Korrespondenz zeichnet sich in erster Linie durch die Sorge der insoweit handelnden Bistumsverantwortlichen wegen eines Bekanntwerdens der Missbrauchsfälle aus.
Die nahen Angehörigen des ersten bekanntgewordenen Opfers beharrten jedoch weiterhin darauf, dass der Pfarrer im Hinblick auf seine zukünftigen Tätigkeiten in einer Art und Weise eingeschränkt wird, die jeglichen weiteren sexuellen Missbrauch minderjähriger Mädchen verhindert. Darüber hinaus war es ihnen auch ein Anliegen, eine von ihnen zwischenzeitlich erkannte schriftstellerische Tätigkeit des betroffenen Pfarrers im katholisch-theologischen Bereich zu unterbinden. Dies gelang ihnen letztendlich.

Gleichwohl fuhren die beiden nahen Angehörigen des ersten bekanntgewordenen Opfers damit fort, die betroffenen Bistümer immer wieder mit den Realitäten zu konfrontieren. Dies führte letztendlich dazu, dass der Bischof desjenigen, weiter entfernten Bistums, in dem der Pfarrer tätig war, Mitte der 1960er Jahre den beiden Herren unter anderem Folgendes mitteilte:

                

„… unverständlich bleibt mir aber, dass Sie jetzt nach Jahren immer noch über die Maßnahmen der kirchlichen Behörde unterrichtet sein wollen. Es ist schon fast beleidigend für mich und meine Behörde, wenn Ihnen die Mitteilung des Herrn Generalvikars … nicht genügt: „Die notwendigen Maßnahmen seien getroffen worden.“ Soviel Vertrauen muss ich von Ihnen als treuen Katholiken erwarten. Wenn es Ihnen wirklich um die Sache geht, und das nehme ich bei Ihnen als Lehrer und Organist an, dann sollten Sie mit der damaligen Erklärung zufrieden sein. Zu Ihrer Beruhigung schreibe ich Ihnen aber noch dazu, dass Pfarrer … zu gelegentlichen Aushilfen geschickt wird, aber keine ordentliche Seelsorge ausübt. Das müsste Ihnen genügen. Wir wissen um den Fall und halten unsere Augen auf.“ (Hervorhebungen durch die Gutachter)


In der Folgezeit wurde der Pfarrer dann in einem weiteren Bistum eingesetzt. Anfang der 1980er Jahre will der Pfarrer sodann in das Bistum zurückkehren." Dies jedoch wurde wegen der befürchteten Reaktionen der Öffentlichkeit nicht gestattet; vielmehr kommt er in einem anderen benachbarten Bistum als Subsidiar zum Einsatz.
Seit jeher reist der Pfarrer offenkundig regelmäßig nach Afrika, obwohl ihm dies jedenfalls zu Beginn der 1960er Jahre im Zusammenhang mit den Vorgängen betreffend das erste bekannt gewordene Opfer untersagt worden war.
Im Jahr 2011 wandten sich zwei weitere Frauen im Zusammenhang mit einem Antrag auf Anerkennung ihres Leides an das Bistum. Diese beiden Frauen schilderten – zumal auf der Grundlage der beschriebenen Vorgeschichte – glaubwürdig an ihnen seitens des Pfarrers verübte Taten des  sexuellen Missbrauchs. Die Opfer waren zum Zeitpunkt des Tatgeschehens acht bzw. zwölf Jahre alt. Soweit nachvollziehbar, fanden auch diese beiden
Taten ebenfalls in der Pfarrei statt, in der auch das weitere, zuerst bekanntgewordene Opfer sexuell missbraucht wurde. Den Angaben eines dieser Opfer ist zu entnehmen, dass es Gerüchte betreffend den sexuellen Missbrauch eines weiteren Mädchens durch den Pfarrer gegeben habe, aufgrund dessen dieses Mädchen sogar schwanger wurde. Hierbei könnte es sich um den Fall des ersten bekannt gewordenen Opfers handeln"