Samstag, 20. Mai 2023

Bistum Aachen: "Missbrauchsbeauftragter" Bischof Dieser will Täternamen nicht veröffentlichen, um "Retraumatisierung von Betroffenen" zu vermeiden

Im November 2020 veröffentlichte das Bistum Aachen ein sogenanntes Missbrauchsgutachten, das 14 Fälle von Geistlichen des Bistums auflistet, die zwischen 1965 und 2019 sexueller Missbrauchstaten verdächtigt oder wegen solcher bereits verurteilt wurden. Fall Nr. 9 dieses Gutachtens befasst sich mit den mutmaßlichen Verbrechen von Pfarrer M.: Mindestens vier Mädchen soll er in seiner Zeit als Pfarrer von Rölsdorf, das heute zu Düren gehört, vergewaltigt haben. Eines der Mädchen soll sogar schwanger geworden sein. Doch die Fälle in dem Gutachten sind vollständig anonymisiert: keine Orte, keine Namen, nicht einmal Initialen. Kein Hinweis auf Pfarrer M.

Als Pfarrer Dirk Bingener diesen Fall Nr. 9 nach Veröffentlichung des Gutachtens las, stellte er weitere Recherchen an. Bald darauf stand für ihn fest: Der Geistliche aus Fall Nr. 9 muss Pfarrer M. sein

Seit eindreiviertel Jahren drängt Pfarrer Bingener inzwischen darauf, dass die früheren Gemeinden des Pfarrers in Deutschland und Afrika über den Verdacht des sexuellen Missbrauchs informiert werden, damit sich mögliche weitere Opfer von Pfarrer M. bei Missio oder beim Bistum Aachen als früherem Arbeitgeber melden können. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass es noch weitere Betroffene gibt“, sagt Bingener. „Und wir müssen diesen Menschen helfen.“ Dazu gehöre auch, den Bischof in Afrika zu informieren und dabei zu unterstützen, Strukturen für Betroffene zu schaffen. Auch viele Betroffene wünschen sich die Veröffentlichung des Namens. 

Doch Bischof Dieser weigert sich, M.s Namen zu veröffentlichen - seit ebenso eindreiviertel Jahren. Eine solche Namensnennung in den betroffenen Gemeinden müsse gut vorbereitet werden, erklärte Dieser. Schließlich wolle man die Betroffenen nicht retraumatisieren.

Die "Aachener Zeitung" hat dem Bistum jetzt die Entscheidung abgenommen und veröffentlichte den Namen.

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Es klingt geradezu absurd, dass es auch 13 Jahre nach 2010 keine einheitlichen Richtlinien gibt, welche Täternamen veröffentlicht werden und welche nicht.  Auch gibt es im Jahr 13 noch keine einheitliche Leitlinien für betroffene Gemeinden - sollten sie denn überhaupt erfahren, dass ein mutmaßlicher Täter in ihrer Pfarrei tätig war. Während man sich im Bistum Trier dazu entschied, den Namen "Edmund Dillinger" zügig zu veröffentlichten, wurde der Name des Priester aus dem Bistum Aachen bis heute nicht vom Bistum öffentlich genannt. So hat man sich in der "Causa Dillinger" gegen die Persönlichkeitsrechte von Edmund Dillinger entschieden, um u.a. durch die Veröffentlichung des Namens auch bisher unbekannten Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich zu melden. Der Missbrauchsbeauftragte Bischof Dieser behauptet hingegen,  die Nennung des Täternamens könnte eine Retraumatisierung von bislang unbekannten Opfern von Pfarrer M. mit sich bringen, die unbedingt vermieden werden müsse. -  Ganz zu schweigen von den Betroffenen im Jahr 13 danach: Bis heute gibt es auch hier kein einheitlich Konzept,  wie man mit möglichen Betroffenen umgeht und Räume für sie schafft.  Ach ja, stellt sich natürlich auch gleichzeitig die Frage nach dem Umgang mit Tätern, mutmaßlichen Tätern und Beschuldigten. Hat sich da in den letzten 13 Jahren etwas geändert? Der letzte Stand ist immer noch der von 2012, als Ackermann bei einem öffentlichen Gespräch über Missbrauch in der katholischen Kirche sagte, dass die Frage, was mit den Tätern passiere, noch nicht gelöst sei. Laut Ackermann gelte zwar die 'Linie Nulltoleranz' gegenüber den Verbrechen. Nicht aber gegenüber den Verbrechern. / ca