Montag, 4. Dezember 2017

Bistum Trier: ein Jahr nach Suizid von syrischem Flüchtling - Pfarrer lässt verwirrendes Schreiben veröffentlichen, welches weitere Fragen aufwirft

Heribert B., Pfarrer der katholischen Pfarreiengemeinschaft Kirn, hat sich im Pfarrbrief an die Öffentlichkeit gewandt.  Er habe sich im letzten Jahr mit einem schwer traumatisierten Flüchtling aus Syrien eingelassen, der seine Hilfe und auch den persönlichen Kontakt zu ihm gesucht habe. Aus dem Vorfall wurde eine Tragödie: Der Mann begeht im Dezember 2016 Suizid. - Kurz nachdem er den Pfarrer bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat und diese das Verfahren nicht weiter verfolgte.

"Heute möchte ich Ihnen die Hintergründe meiner Erkrankung nennen und die Konsequenzen, die sich daraus für mich ergeben.
Als vor nunmehr zwei Jahren die vielen Flüchtlinge nach Deutschland kamen, hat auch unsere Pfarreiengemeinschaft mit einer bis dahin nicht gekannten Hilfsbereitschaft reagiert. Viele haben sich in der Begleitung der geflüchteten Menschen persönlich sehr engagiert. Auch ich habe mich hier eingebracht. Nach und nach sind mir dabei immer mehr Aufgaben zugewachsen und schließlich -so kann ich es heute im Rückblick sagen -auch über den Kopf gewachsen. 
In besonderer Weise hat damals ein 23-jähriger Mann aus Syrien, der durch seine Erfahrung von Krieg und Vertreibung schwer traumatisiert war, meine Hilfe und auch den persönlichen Kontakt zu mir gesucht. Hier hat sich schließlich eine auch körperliche Intimität ergeben, die dieser Situation nicht angemessen war.
In dieser Situation habe ich die Distanz, die meine Rolle als Begleiter eines geflüchteten Menschen und auch meine Rolle als Priester geboten hätte, nicht gewahrt. Ich habe das Vertrauensverhältnis in nicht angemessener Weise ausgenutzt.
Wie manche von Ihnen vielleicht wissen, hat sich dieser Mann im Dezember vergangenen Jahres das Leben genommen. Zwar gibt es nach allem, was wir wissen, keinen direkten Zusammenhang zwischen unserem Kontakt und der Entscheidung des Mannes, sich das Leben zu nehmen; die Gründe sind vermutlich in seiner Traumatisierung zu suchen. Dessen ungeachtet belastet mich die Tatsache sehr.
Kurz vor seiner Selbsttötung hat der Mann Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen mich erstattet. Diese hat das Verfahren jedoch kurz darauf eingestellt, weil kein Straftatbestand vorlag.
Dennoch bedauere und bereue ich das Vorgefallene zutiefst. Natürlich missbilligt auch unser Bischof mein Verhalten. Nach Gesprächen mit den Verantwortlichen des Bistums bin ich zu der Entscheidung gekommen, als eine Konsequenz dem Bischof meinen Verzicht auf die Pfarrstelle in der Pfarreiengemeinschaft Kirn anzubieten.
Der Bischof hat diesen Verzicht inzwischen angenommen.
Ich möchte nach vorne schauen, und deshalb werde ich meine Therapie, die ich Ende November des vergangenen Jahres begonnen habe, mit einem längeren stationären Aufenthalt in einer Klinik fortsetzen. Teil dieser Therapie ist es, das Erlebte und mein Verhalten zu reflektieren und zu bearbeiten, um eine gefestigte Handlungssicherheit für die Zukunft zu gewinnen. Ich werde kommenden Freitag, am 1. Dezember 2017, meinen zweiten stationären Klinikaufenthalt beginnen.
Mit dem Bischof habe ich vereinbart, dass wir über meinen künftigen Einsatz als Priester erst gegen Ende der Therapie sprechen werden.
Mir ist es wichtig, Sie heute in dieser Offenheit zu informieren, gerade weil ich weiß, wie viele von Ihnen in den letzten Monaten an meiner Situation Anteil genommen haben.
Darüber hinaus möchte ich Sie bitten, sofern Ihnen das möglich ist, mir das Vorgefallene zu verzeihen - auch weil dadurch mein priesterliches Zeugnis verdunkelt wurde.
Für die Zukunft der Pfarreiengemeinschaft Kirn, in der ich gerne Ihr Pfarrer und Seelsorger war, und in der ich mich wohlgefühlt habe, wünsche ich allen Gottes Segen.

H. B."

Quelle: "pfarreiengemeinschaft-kirn.de"


  • "Die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach ermittelte, kam aber zu dem Schluss, dass es sich um ein Verhältnis zwischen zwei erwachsenen Männern handele und weil zwischen ihnen auch kein Abhängigkeitsverhältnis bestanden habe, hätten sie die Ermittlungen gegen den Priester eingestellt." (swr.de)
  • "Pfarrer beichtet Verhältnis zu 23-jährigem Flüchtling - Kontakt endete in Tragödie"(rheinzeitung.de)
  • "Unfall in Kirn: 23-jähriger Fußgänger tödlich verletzt" (11.12.2016, rheinzeitung), " Warum der 23-Jährige unvermittelt auf die Straße trat, ist nach Angaben der Polizei noch nicht klar." (swr.de), "Verkehrsunfall mit tödlich verletztem Fußgänger" (polizei rlp)
  • "Ein Jahr später sind neue Informationen zu dem Suizid bekannt geworden: Zu finden sind sie in dem Gemeindebrief der katholischen Pfarreiengemeinschaft Kirn. Der Brief beginnt mit einem Hinweis auf die Weihnachtskollekte 2017, es folgt ein Adventsgedicht („Sehet auf, ihr, deren Blick schuldbeladen sich nicht erheben kann“), und schließlich ein persönlicher Brief des Pfarrers, der offenbar seit mehr als einem Jahr krankgeschrieben ist. Es ist eine Art Beichte, die der Mann ablegt – und mit der er auch den Verzicht auf seine Pfarrstelle erklärt." (faz.net)