Sonntag, 3. November 2019

Bistum Trier (Albertinum Gerolstein): Über den nachvollziehbaren Unmut und das Misstrauen der Betroffenen, wenn die Kirche verspricht, aufklären zu wollen

Ein kirchenunabhängiges Projekt soll mutmaßliche Gewalttaten an Schülern in einem mittlerweile geschlossenen katholischen Internat in Gerolstein in der Eifel aufarbeiten. Es gehe um "sexualisierte, physische und psychische Gewalt im Internat Albertinum Gerolstein", sagte die Erziehungswissenschaftlerin Claudia Bundschuh zum Beginn des Projekts am Donnerstag in Trier. 

Mit einer Gesprächsrunde haben Wissenschaftler die Aufarbeitung von Gewalt und sexuellem Missbrauch am Gerolsteiner Internat Albertinum begonnen. Noch bevor die Arbeit wirklich begann, musste das Bistum bei der Auftaktveranstaltung allerdings schon heftige Kritik von ehemaligen Schülern einstecken: "Nein, er brauche kein Mikrofon. Seine Stimme sei laut genug, sagt der Mann. Dann ruft er, brüllt fast, in den Raum: „Werden Sie vom Staat bezahlt oder von unserem Peiniger, dem Bistum?“ „Vom Bistum“, räumt Claudia Bundschuh ein. „Danke, dann bin ich durch damit“, schreit der ehemalige Schüler...„Was soll das bringen?“, fragt ein Besucher in die Runde. Ein anderer klagt: „Ich hatte so lange meine Ruhe. Jetzt wird das alles wieder aufgewühlt.“

2018 hat das Bistum Trier auf Anfrage des Volksfreund eingeräumt, dass Jungen im Albertinum physische, psychische und sexuelle Gewalt erfahren haben. Schutzbedürftige sollen von 1953 bis 1981 geschlagen worden sein, gedemütigt. Und manche auch missbraucht. Wie viele Täter, wie viele Opfer, wie viele Fälle es gab – all das ist noch unklar. Das nun angestoßene Projekt soll aber Licht ins Dunkel bringen.  

Auch die Aussage, dass das Bistum nicht operativ an der Aufarbeitung mitwirke,  kann die Betroffenen nicht vollends überzeugen.

Nach der Vorstellung des Projektes hagelt es weiter Kritik aus den Zuschauerrängen. „Die Aufarbeitung haben wir doch alle längst hinter uns“, sagt ein Gast: „Sonst würden wir gar nicht mehr hier sitzen. Der Herr Ackermann lacht sich tot.“ Ein anderer Besucher gibt ihm Recht: „Der Bischof will sich nur von der Verantwortung freikaufen. So sollen Kirchenaustritte gestoppt werden. Ich bin inzwischen ausgetreten, und ich weiß auch warum. Ich kann das jedem Jugendlichen nur empfehlen.“

Die Bereitschaft der ehemaligen Schüler, sich an der geplanten Gruppenarbeit nach der Veranstaltung zu beteiligen, hielt sich in Grenzen. Den Ermutigungen von Bistumssprecherin Rupp, sich doch bitte zusammenzusetzen, um über die Erwartungen an das Projekt zu sprechen, kam niemand nach. „Was ich mir von dem Projekt wünschen würde?“, ruft ein wütender Betroffener: „Ich will den Schuldigen vor Gericht sehen. Der läuft immer noch frei rum.“ 

Was bisher bekannt ist:
Bislang haben sich acht Personen beim Bistum Trier gemeldet, die im Albertinum Gewalt erfahren haben sollen. Die Wissenschaftlerinnen Bundschuh und Janssen gehen aber von „vielen weiteren Betroffenen aus“. Womöglich gebe es mehr als die vier Täter, gegen die sich die bislang geäußerten Vorwürfe richten. Die ersten mutmaßlich Betroffenen hätten sich 2010 beim Bistum gemeldet. Man habe damals aber den Eindruck gehabt, es handele sich um „Einzelfälle“, sagt Kirchen-Justiziarin Dorothee Bohr. Erst im Jahr 2018 hätten sich die Anhaltspunkte verdichtet, dass es sich beim Albertinum um institutionellen Missbrauch gehandelt habe – so die offizielle Position des Bistums.

Quellenangabe: volksfreund.de / sueddeutsche.de