Mittwoch, 16. Oktober 2019

Bistum Trier: Missbrauchsopfer im Bistum Trier kritisieren Bischof - Bischof weist Kritik zurück

Missbrauchsopfer im Bistum Trier werfen Bischof Stephan Ackermann "Ignoranz und Passivität" bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Diözese vor. Ein gutes Jahr nach der Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche gebe es immer noch keine unabhängige Aufarbeitung im Bistum Trier, teilte die Initiative "MissBit" in Trier mit. Andere Bistümer dagegen seien bereits dabei, die Forderung der Studie umzusetzen, hieß es.

Der Vorwurf

In dem Vorwurf der Initative heißt es:

"Ein Jahr nach der MHG-Studie: Fazit der Betroffenenorganisation "MissBiT "(Missbrauchsopfer im Bistum Trier)
Unser Bündnis beklagt die Ignoranz und Passivität unseres Bischofs Dr. Stephan
Ackermann bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Diözese Trier. Die
Haltlosigkeit seiner wiederholten Versprechungen waren der eigentliche Anlass
unsrer Gründung im Herbst 2010.
Bei seiner ersten Pressekonferenz als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) hatte Ackermann bereits Ende März 2010 vollmundig verkündet: Wir wollen ansprechbar sein, wollen wissen, was gelitten wurde, und den Betroffenen bei der Aufarbeitung beistehen. Bei der gleichen Pressekonferenz jedoch verleugnete Prälat Dr. Rainer Scherschel, der damalige Missbrauchsbeauftragte und bis 2006 auch Bistumspersonalchef in Personalunion (!!), sein Wissen über das nachweislich extreme Ausmaß des Missbrauchs im hiesigen Bistum. Aufgrund der aktuellen Rückmeldungen von Betroffenen wären ihm bis dahin erst 20 „Fälle bekannt“ geworden. Die aus Personalakten und Interviews mit Betroffenen gewonnenen Erkenntnisse der MHG-Studie belegten vor Jahresfrist – am 25. September 2018 – die abgrundtiefe Falschheit dieser Darstellung. Im Bistum Trier wurden mindestens 148 Priester, also etwa sieben Mal so viele, des Missbrauchs beschuldigt; mehr Tatbeschuldigtewurden lediglich in zwei Bistümern - Freiburg (190) und München/Freising (174) - ermittelt. Nach der Gesamtzahl seiner 442 identifizierten Betroffenen (252 männlich, 190 weiblich) belegte Trier gleichauf mit Freiburg (ebenfalls 442) sogar den zweiten Spitzenplatz – nur knapp hinter dem Bistum Münster (450 Betroffene).
Zu diesem aus Sicht unseres Bistums sehr bemerkenswerten Befund gibt es jedoch bis heute keinerlei kommentierende Stellungnahmen. Nicht nur seitens Bischof Ackermann, sondern ebenso nicht von der Bistumspressestelle, dem 2011 installierten Präventionsbeauftragten und auch nicht von dem im Herbst 2010 als Nachfolger Prälat Scherschels ernannten Missbrauchsbeauftragten.
In seiner aktuellen Kommentierung verschwieg der Bistumspräventionsbeauftragte außerdem die nicht minder beunruhigenden Einschätzungen über die Ineffizienz der bisherigen Präventionsprogramme, die bei der Hochrisikogruppe der Kleriker in Anbetracht der fortlaufend neuen Vorfälle (Strafverfahren und Suspendierungen) gerade auch im hiesigen Bistum Trier zutreffend erscheinen.
Als weitere Missachtung unseres Engagements empfinden wir die gänzliche  Nichtberücksichtigung in Bezug auf die von der MHG-Studie empfohlene unabhängige Aufarbeitung. Warum gibt es immer noch keine unabhängige Studie über den im gesamten Verantwortungsbereich des Bistums Trier vorgekommenen und vorkommenden sexuellen Missbrauch, also ausgerechnet nicht in jenem Bistum, dessen Bischof als Missbrauchsbeauftragter eigentlich mit gutem Beispiel hätte vorangehen müssen? - Immerhin realisieren bereits fünf andere Bistümer (Essen, Köln, Limburg, Mainz und Regensburg) die Umsetzung dieser zentralen Forderung
der MHG-Studie.
Auch bei den nach neuerem Expertenurteil als „demütigend“ verworfenen finanziellen Entschädigungen (von durchschnittlich 5000 Euro) gibt es nach Ablauf eines Jahres immer noch keinerlei konkrete Reformbeschlüsse. Wir sehen uns abermals getäuscht und in die Irre geführt. Die Ankündigungen unseres Bischof und Missbrauchsbeauftragten erwiesen sich besonders hier in immer schnellerer Folge als trügerisch. So gab Ackermann am 11. September 2019 dem Chefredakteur der bekanntesten Trierer Tageszeitung die eindeutige Antwort „Ja, davon gehe ich aus“ auf dessen unmissverständlich formulierte Fragestellung: „Es wird aber höhere Entschädigungen geben? - Nur zwei Wochen später, am 25. September, widerrief er sein früheres Statement bei der eigens zu diesem Thema einberufenen Pressekonferenz der Deutschen Bischöfe in Fulda: Über die Summen, haben wir jetzt gestern nicht gesprochen, (…) also nicht positiv Stellung genommen.“
Bischof Ackermann weist Kritik der Betroffenen zurück

Der Trierer Bischof wies die Kritik am Mittwoch zurück. Er habe zugesagt, sich bei der unabhängigen Aufarbeitung "an die Kriterien und Standards zu halten", die mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, vereinbart würden. Diese sollten Ende des Jahres vorliegen. Von daher sei auch noch kein Projekt bistumsweit beauftragt. Eine erste einrichtungsbezogene unabhängige Aufarbeitung für und mit Betroffenen für das ehemalige Bischöfliche Internat Albertinum in Gerolstein starte am 31. Oktober.

Vorsitzender der Bischofskonferenz: "Opferentschädigungs-Reform" ist noch völlig offen

Ebenfalls am Mittwoch äußerte sich auch der ehemalige Trierer Bischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx,  in Berlin zu einer möglichen "Opferentschädigungs-Reform": In der Diskussion um eine Reform der Entschädigungszahlungen der katholischen Kirche für Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester und Diakone sind Details wie die Höhe der Zahlungen noch völlig offen. "Es gibt überhaupt keine Entscheidung über die Höhe. Das ist völlig abwegig, da jetzt irgendwas zu spekulieren", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, am Mittwoch in Berlin. Die Höhe der Entschädigung für Missbrauchsopfer sei noch nicht entschieden. Ohne Plausibilitäten, also die Überprüfung des Einzelfalls, werde es nicht gehen, sagte er. Zugleich betonte er, dass es keinen Rechtsanspruch auf die Zahlungen geben werde. Die Zahlungen würden höher sein als bislang, sagte er. Wie hoch jedoch, sei noch offen.

Quelle: "sueddeutsche.de" / "evangelisch.de" / "domradio.de"/ eigene Recherche