Montag, 17. Dezember 2012

"Wurde der Umgang der Kirchenleitungen mit den Sexualstraftätern in den eigenen Reihen nicht untersucht?"


Anmerkungen zur Studie „Sexuelle Übergriffe durch katholische Geistliche in Deutschland – Eine Analyse forensischer Gutachten 2000-2010“und deren medialer Darstellung  

Die Studie wurde von  Prof. Dr. med. Norbert Leygraf (Universität Duisburg-Essen, Projektleiter) in Kooperation mit Prof. Dr. med. Hans-Ludwig Kröber (Charité - Universitätsmedizin Berlin) und Prof. Dr. med. Friedemann Pfäfflin (Universitätsklinikum Ulm) erstellt.1

I. Der Forschungsauftrag

Der Auftrag für die Studie wurde im Sommer 2011 vorgestellt. Er sollte eine bundesweite Vollerhebung der sexuellen Übergriffe durch kath. Geistliche aus Bistümern und Orden umfassen, für die psychiatrische oder psycholog. Gutachten vorliegen. Ca 75 Gutachten lagen bereits im Sommer 2011 vor. Prof. Leygraf meinte dazu:  „Es ist davon auszugehen, dass in einer größeren Zahl an Fälle sich weitere Gutachten in den Personalakten befinden. Zum einen dürften nicht alleine die drei oben genannten Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt worden sein, zum anderen sind auch im Rahmen der jeweiligen Strafverfahren Begutachtungen erfolgt.“2 Nun sind zu den im Sommer 2011 bereits vorhanden ca 75 Gutachten noch weitere 3 (!) verwertbare (und 15 nicht verwertbare) Gutachten aus der sog. Vollerhebung in Bistümern hinzugekommen.3 Ob auch Gutachten von Missbrauchstätern aus den Orden vorliegen, ist der Foliendarstellung nicht zu entnehmen. 22% der Bistümer steuerten keine Gutachten bei. Die „Forschung“ bezog sich also auf die 75 eigenen Gutachten der Forscher und 3 weitere, deren Urheberschaft unbekannt ist. D.h. die Gutachter haben zu 96% ihre eigenen Gutachten ausgewertet. Wer schon mal eigene Texte auf Rechtschreibfehler hin durchgesehen hat, weiß, wie schwer es ist, die eigenen Fehler zu finden. Forscher müssten das wissen.

Ausgewählt wurden die Gutachten von den Personalreferenten der Bistümer (und Orden?).4 Nachdem bekannt wurde, dass Täter geschützt wurden und die Bischöfe und Personalverantwortlichen dies wussten und/oder am Täterschutz beteiligt waren, ist es eine Frage des Vertrauens: Können wir von den bisherigen Täterschützern erwarten, dass sie den Forschern ihre Unterlagen tatsächlich zur Verfügung stellten? Dass nur 3 Gutachten neu hinzukamen, spricht dafür, dass wir diese Frage verneinen müssen. Es spricht nicht für Transparenz.

Im Forschungsauftrag hatte es geheißen, dass der kirchliche Umgang mit den Beschuldigten erfasst werden solle. Davon ist in Prof. Leygrafs Vorstellung der Ergebnisse nichts zu finden. Wurde der Umgang der Kirchenleitungen mit den Sexualstraftätern in den eigenen Reihen nicht untersucht?

(...)