Freitag, 7. Dezember 2012

Statement von Bischof Stephan Ackermann anlässlich zur Vorstellung der Studie "Sexuelle Übergriffe durch katholische Geistliche in Deutschland - Eine Analyse forensischer Gutachen 2000 - 2010"


Statement 

des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz

für Fragen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger

im kirchlichen Bereich, 

Bischof Dr. Stephan Ackermann,

anlässlich der Pressekonferenz

zur Vorstellung der Studie „Sexuelle Übergriffe durch

katholische Geistliche in Deutschland – Eine Analyse

forensischer Gutachten 2000-2010“ 

am 7. Dezember 2012 in Trier






Es gibt viele Thesen darüber, warum Menschen zu Tätern werden und welche  Strukturen sexuellen Missbrauch von Mädchen und Jungen, jungen Männern  und Frauen verhindern helfen oder welche Strukturen sexuellen Missbrauch womöglich begünstigen können. Es gibt dazu aber nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse. Vor allem fehlt es an Wissen, mit dem effizienter Kinder- und Jugendschutz unterstützt und abgesichert werden kann.

Es ist allenfalls in Grundzügen untersucht, welche Präventionsstrategien sich bewähren, wie sich sexualisierte Gewalt im späteren Leben auswirkt und welche Therapien greifen, bei Tätern wie bei Betroffenen, so stellte es auch der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ fest. Gezielt handeln kann aber nur, wer über gesicherte Erkenntnisse verfügt. Um einen besseren Schutz vor sexuellem Missbrauch zu ermöglichen, bedarf es deshalb der Forschung. 

Die Studie „Sexuelle Übergriffe durch katholische Geistliche in Deutschland –  Eine Analyse psychiatrisch-psychologischer Gutachten 2000 – 2010“, die wir heute vorstellen, kann hierzu ein wichtiger Baustein sein. Die Studie ist ein Gemeinschaftsprojekt der drei renommierten Zentren für forensische Forschung:

Quelle: DBK




 Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen

(Leitung: Professor Dr. med. Norbert Leygraf)

 Institut für Forensische Psychiatrie der Charité-Universitätsmedizin Berlin

(Leitung: Professor Dr. med. Hans-Ludwig Kröber)

 Sektion Forensische Psychotherapie der Universität Ulm

(Leitung: Professor Dr. med. Friedemann Pfäfflin). 
 

Wie Sie wissen, hat die Deutsche Bischofskonferenz bereits im Jahr 2002 für alle Diözesen verbindliche Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche erlassen, die 2010 noch einmal überarbeitet wurden. Seither gibt sie auch forensisch-psychiatrische Gutachten in Auftrag, so wie es seit 2010 in den Leitlinien (Nr. 43) verbindlich vorgeschrieben ist. Die Leitlinien sehen dies in den Fällen vor, in denen ein im kirchlichen Dienst Tätiger sich einer sexuellen Missbrauchshandlung schuldig gemacht hat.

So soll möglichst professionell abgeklärt werden, welche Einsatzmöglichkeiten für die betreffende Person – sofern sie im kirchlichen Dienst verbleibt – unter dem Aspekt einer individuellen Risikobeurteilung prognostisch verantwortbar erscheinen.

Im Rahmen gemeinsamer Gespräche der drei Institutsleiter mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofkonferenz über die im Zusammenhang mit den Begutachtungen gemachten Erfahrungen entstanden erste Überlegungen, diese gutachterlich gewonnenen Erkenntnisse systematisch zu erfassen und wissenschaftlich auszuwerten. Nach Beginn der öffentlichen Diskussion 2010 über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche wurden diese Überlegungen wieder aufgegriffen. Die Studie, die mit Mitteln des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) gefördert ist, startete dann am 15. April 2011 und dauerte genau ein Jahr. Mitte November wurde sie im Kreis der Diözesanbischöfe vorgelegt.

Ziel der Studie ist es, mit einer qualitativen und quantitativen Gutachtenanalyse ein möglichst umfassendes Bild über Täterpersönlichkeiten zu ermöglichen und Gefahrenmomente im kirchlichen Bereich besser identifizieren zu können. Biographische Zusammenhänge sowie die Situation und die Abläufe der vorgeworfenen sexuellen Handlungen und Merkmale der Opfer spielen dabei eine besondere Rolle.

Wir erhoffen uns von der Studie, eine neue Qualität in der Debatte um den Umgang mit Tätern im kirchlichen Bereich zu erhalten. Die Frage danach war Mitte November auch Thema bei unserem internationalen Fachkongress in Bad Honnef, an dem Professor Leygraf als Referent teilgenommen hat. Er wird zusammen mit seinen Kollegen die Ergebnisse der Studie Anfang nächsten Jahres in einer eigenen Fachpublikation veröffentlichen.

Außerdem erhoffen wir uns, Hinweise dafür zu erhalten, wo wir unsere Präventionsmaßnahmen, die ja in einer eigenen Rahmenordnung geregelt sind, noch verstärken beziehungsweise präzisieren müssen. Sicher werden wir unsere Aufmerksamkeit noch mehr dem Einfluss der neuen Medien und dem Thema Internetpornographie zuwenden müssen. 

Das Forschungsprojekt unter Leitung von Herrn Professor Dr. Norbert Leygraf betreute Herr Dr. Andrej König (inzwischen Vertretungsprofessor für Methodenlehre und Forensische Psychologie an der Fachhochschule Dortmund). 

Ich begrüße die beiden Herren sehr herzlich.

Sie werden jetzt zu Methodik und Ergebnissen ihrer Forschung berichten