Interview mit Kardinal Müller, Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche und seit 2. Juli 2012 Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre. Er war von 2002 bis 2012 Bischof von Regensburg.
Müller: "Im Übrigen habe ich Probleme mit dem leicht dahingesagten Vorwurf der „Vertuschung“."
BZ: "Warum?"
Müller: "Vertuschen bedeutet meines Erachtens, die Ahndung eines als strafwürdig erkannten Tuns bewusst oder fahrlässig zu verhindern oder eine mögliche weitere Straftat nicht zu vereiteln. Nun weiß aber doch jeder, dass beim sexuellen Missbrauch der Wissensstand vergangener Jahrzehnte ein ganz anderer war als heute. Die Langzeitfolgen für die Opfer waren damals leider nicht so im Blick, wie sie es heute - Gott sei Dank - sind. Und bei den Tätern ging man vielleicht etwas naiv davon aus, ihnen mit einer eindringlichen Ermahnung beikommen zu können. Heute sind die Humanwissenschaften viel differenzierter. Dementsprechend muss auch der Umgang mit Tätern und Opfern ein anderer sein. Entscheidend ist der Paradigmenwechsel, hinter den es kein Zurück geben darf: Zuerst geht es um die Gerechtigkeit für die Opfer, um ihr Leid und die Wiederherstellung ihrer Würde. Entscheidend sind auch die von den Bischofskonferenzen beschlossenen Präventionsmaßnahmen. ... "