Mittwoch, 23. Juli 2025

"Wohl kaum aus Überzeugung" - Ein Kommentar von Claudia Adams

Ackermann im Zwiespalt: Ein Bischof zwischen Pflicht und Moral

Bischof Stephan Ackermann befindet sich erneut in einer Situation, die nicht nur seine persönliche Integrität, sondern auch das Vertrauen in die katholische Kirche weiterhin nachhaltig beeinflussen könnte. Ob als ehemaliger Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz oder als Bischof von Trier trägt er eine zentrale Verantwortung bei der Aufarbeitung sexueller Missbrauchsskandale innerhalb der Kirche - und in seinem eigenen Bistum. Doch diese Verantwortung ist in Ackermanns Fall von tiefen Widersprüchen geprägt, die ihn in eine moralischen Zwickmühle führen könnte.

Die Weiterleitung der Anzeige: Keine Wahl, sondern Pflicht

Es ist wichtig zu betonen, dass Ackermann keine Wahl hat, ob er die Anzeige gegen Kardinal Woelki nach Rom weiterleitet oder nicht. Es ist seine kirchenrechtliche Pflicht, dies zu tun. Der Vatikan fordert in Fällen wie diesem – bei schwerwiegenden Vorwürfen gegen einen hochrangigen Kirchenvertreter – die Weiterleitung der Anzeige an die zuständigen Dikasterien, die dann eine kanonische Untersuchung einleiten. Ackermann kann dieser Pflicht also nicht entkommen. Es ist keine Entscheidung aus eigener Bestimmung, sondern eine Verpflichtung, die ihn zum Handeln zwingt.

Doch was passiert, wenn die Pflicht auf den inneren Wunsch trifft, den Status quo zu wahren? Wenn Ackermann eine Wahl hätte – und das ist der springende Punkt – würde er vermutlich anders handeln. Würde Ackermann die Anzeige weiterleiten, wenn er nicht kirchenrechtlich dazu verpflichtet wäre? Wenn es keine mediale Aufmerksamkeit gäbe? Wahrscheinlich nicht, denn in der Vergangenheit hat er immer wieder gezeigt, dass er sich der Institution Kirche gegenüber deutlich mehr verpflichtet fühlt als den Opfern sexuellen Missbrauchs durch Angehörige der katholischen Kirche gegenüber. 

Die Last seiner eigenen Vergangenheit

Ackermanns Vergangenheit als Missbrauchsbeauftragter und als Bischof von Trier wirft einen dicken Schatten auf seine jetzige Rolle. Als Missbrauchsbeauftragter hat er bei vielen Fällen in seiner Diözese nicht entschlossen gehandelt, sondern oftmals die Interessen der Institution über die Rechte der Opfer gestellt. Es gab zahlreiche Skandale, bei denen Täter nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, sondern in der Kirche weiterhin Schutz fanden. Warum sollte jemand, der in seiner eigenen Diözese wiederholt versagt hat, nun als verlässlicher Hüter der Wahrheit auftreten? Ackermann ist schließlich selbst Teil des Systems, das über Jahre hinweg den Missbrauch von Macht und das Verschweigen von Taten als Normalität betrieb.

Ein weiterer brisanter Punkt: Ackermann selbst gerät durch die Anzeige erneut in den Fokus

Ackermann leitet eine Anzeige weiter, die womöglich - indirekt oder direkt - auch sein eigenes Amtshandeln in Frage stellt. Das macht seine Rolle doppelt delikat: Er ist nicht nur Übermittler, sondern auch potentieller Teil jener Strukturen, die jetzt zur Prüfung an den Vatikan gehen. Und wer hier von Loyalitätskonflikten und Selbstschutz spricht, greift gewiss nicht zu hoch.

Gerade weil es nicht nur um das individuelle, sondern auch um systemisches Vertuschen, um strukturelles Versagen und um Missbrauch von Verantwortung geht, rückt auch sein eigenes Handeln als früherer Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz und als Bischof von Trier unweigerlich wieder in den Fokus. Schließlich benennt die Anzeige gegen Woelki nicht nur individuelles Fehlverhalten, sondern ein kirchliches Klima des Wegschauens, an dem Ackermann selbst beteiligt war.

Die moralische Last, der Ackermann sich nicht entziehen kann

Die moralische Verantwortung, die Ackermann in dieser Situation trägt, ist gewaltig. Auch wenn er die Anzeige weiterleitet, wird dies nicht als ein mutiger Schritt wahrgenommen, sondern als eine erzwungene Pflicht. Denn sollte er die Anzeige nicht weiterleiten, würde die katholische Kirche damit erneut zeigen, dass sie auch weiterhin nicht bereit ist, ihre dunklen Geheimnisse zu enthüllen, sondern alles daran setzt, ihre Macht zu wahren und sich von keiner äußeren Kontrolle beeinflussen zu lassen. Und das kann sich die Katholische Kirche nicht mehr leisten. Und Ackermann erst recht nicht.


Claudia Adams 

Ausgerechnet Bischof Ackermann entscheidet über die Weiterleitung der Anzeige gegen Woelki nach Rom

Als dienstältester Bischof der Kirchenprovinz Köln, zu der das Bistum Trier gehört, soll Ackermann die Anzeige des Betroffenenbeirats der DBK nun an die zuständige Kurienbehörde mit der Bitte weiterleiten, eine kanonische Voruntersuchung gegen Kardinal Woelki einzuleiten. 

Laut dem Kirchenrechtler Thomas Schüller hat der Trierer Bischof bei seiner Entscheidung keine Wahl. „Er muss die Anzeige nach Rom an das Dikasterium für den Glauben und das Dikasterium für die Bischöfe weiterleiten“, sagte Schüller unserer Redaktion. Es sei eine Amtspflicht ohne Ermessensspielraum.

Eine Sprecherin des Bistums Trier bestätigte am Montag auf Anfrage unserer Redaktion den Eingang der Anzeige. Allerdings habe Bischof Stephan Ackermann wegen seines Urlaubs „das Schreiben noch nicht wahrnehmen“ können.

Nach einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers heißt es in der Anzeige des Betroffenenbeirats, man habe jegliches Vertrauen verloren, das unter Kardinal Woelkis Leitung Missbrauchstaten ohne Rücksicht auf die Täter aufgeklärt würden.

„Für uns als Betroffene“, heißt es in der Anzeige, „ist das Verhalten des Kardinals nicht nur unerklärlich. Sein offensichtlicher Mangel an Einsicht in eigenes Fehlverhalten und schwere Versäumnisse ist auch schmerzhaft und retraumatisierend“. Die Sprecherin des Betroffenenbeirats sagte dem WDR: „Letztendlich hoffen wir, dass die Zuständigen in Rom und auch der Papst ein solches Verhalten des Kardinals für unzumutbar halten und intervenieren.“

Damit wendet sich ein offizielles Gremium der Deutschen Bischofskonferenz gegen Woelki und fordert erstmals Papst Leo XIV. auf, eine Untersuchung durch den Vatikan einzuleiten. Die kirchenrechtliche Anzeige stützt sich auf Ermittlungsergebnisse der Kölner Staatsanwaltschaft. Die hatte ein Meineidsverfahren gegen ihn im Mai zwar gegen Zahlung einer Geldsumme eingestellt. Die Staatsanwaltschaft kam aber zu dem Schluss, Woelki habe fahrlässig die Unwahrheit gesagt und gegen Sorgfaltspflichten verstoßen. (den vollständigen Text auf volksfreund.de lesen)


Hintergrund: Kirchenrechtliche Anzeige gegen Kardinal Woelki 

Am 21. Juli 2025 reichte der Betroffenenbeirat beim Vatikan eine kirchenrechtliche Anzeige gegen Kardinal Rainer Maria Woelki ein. Ihm werden schwerwiegende Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln vorgeworfen. Insbesondere geht es um seine mangelnde Einsicht, das Verstecken von Tätern und falsche Aussagen unter Eid.

Diese Anzeige folgt auf ein Verfahren der Kölner Staatsanwaltschaft, das wegen falscher eidesstattlicher Versicherung gegen Woelki eingeleitet wurde. Obwohl das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt wurde, gibt es weiterhin Hinweise auf fahrlässige Falschaussagen des Kardinals. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller, der die Vorwürfe unterstützt, betont, dass die Causa Woelki gut dokumentiert und belegbar sei, und dass Papst Leo XIV. über die Ereignisse informiert sei.

Das Erzbistum Köln weist die Vorwürfe als „offenkundig haltlos“ zurück und kritisiert die mangelnde Kommunikation mit Woelki. Dies stellt einen weiteren Höhepunkt in einem jahrelangen Konflikt dar. Bereits 2022 hatte die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren gegen Woelki eingeleitet, das jedoch ohne strafrechtliche Konsequenzen blieb.

Jetzt liegt es am Vatikan, zu prüfen, ob Woelki gegen kirchliches Recht verstoßen hat. Die kommenden Wochen könnten entscheidend dafür sein, ob die katholische Kirche in Deutschland bereit ist, sich mit ihrer dunklen Geschichte auseinanderzusetzen oder ob sie weiterhin im Schatten ihrer Vergangenheit verharrt. (ca)