Sonntag, 3. August 2025

Bistum Trier: Nach Weiterleitung der Anzeige gegen Woelki: Gratwanderung für Bischof Ackermann

Für Ackermann ist der Weg jetzt weitgehend vorgezeichnet. Ob er selbst Ermittler wird oder nicht, entscheidet Rom in den kommenden Wochen. In beiden Varianten wird er unter Beobachtung stehen – von der Öffentlichkeit, von Betroffenen und von seinen Amtsbrüdern.

Die Anzeige des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz gegen Kardinal Rainer Maria Woelki ist inzwischen in Rom gelandet. Bischof Stefan Ackermann aus Trier hat sie – wie es die vatikanischen Verfahrensregeln vorsehen – weitergeleitet. Grundlage dafür ist das Motu proprio Vos estis lux mundi, das Papst Franziskus 2019 eingeführt hat. Die Frage, die sich nun stellt: Welche Rolle spielt Ackermann im weiteren Verlauf – und was kann jetzt konkret auf ihn zukommen?

Der rechtliche Rahmen

Die Regeln sind eindeutig: Erhält ein Bischof eine Anzeige, muss er diese unverzüglich an das Bischofsdikasterium in Rom weiterleiten – über den Apostolischen Nuntius. Nur wenn eine Meldung offenkundig haltlos ist, darf er sie archivieren. Selbst in diesem Fall muss er Rom darüber informieren. Ackermann hat diese Hürde nicht gezogen. Er hat die Anzeige zur Prüfung an Rom weitergereicht.

Damit beginnt nun der offizielle vatikanische Verfahrensweg, der zwei mögliche Szenarien bietet:


Szenario A – Ackermann wird Ermittler

Falls das Bischofsdikasterium Ackermann den Auftrag erteilt, muss Ackermann selbst ermitteln:

  • Offizieller Ermittlungsauftrag aus Rom
  • Klare Fristsetzung (oft wenige Monate).
  • Verpflichtung zur vollständigen Aufklärung.
  • Vorbereitung und Strukturierung
  • Ermittlungsplan erstellen.
  • Relevante Unterlagen und Akten beschaffen.
  • Auswahl und Terminierung von Zeugenbefragungen.
  • Durchführung der Ermittlungen
  • Sichern von Beweisen (Dokumente, elektronische Daten, Zeugenaussagen).
  • Befragung von Zeugen, gegebenenfalls auch von Kardinal Woelki selbst.
  • Wahrung strikter Neutralität.
  • Regelmäßige Kommunikation mit Rom
  • Zwischenberichte einreichen.
  • Bei Bedarf vorbeugende Maßnahmen beantragen (selbst erlassen darf er keine).
  • Abschlussbericht an das Bischofsdikasterium
  • Vollständige Dokumentation aller Schritte.
  • Klare Handlungsempfehlung für den weiteren Verlauf.
  • Übergabe der Verantwortung an den Vatikan
  • Rom entscheidet, ob es zu einem kirchenrechtlichen Prozess kommt.
  • Bei einem Kardinal liegt die richterliche Entscheidung grundsätzlich beim Papst.


Szenario B – Ackermann wird nicht Ermittler
Falls Rom entscheidet,  dass jemand anderes die Ermittlungen führt, zum Beispiel ein anderer Bischof, würden sich Ackermanns Aufgaben auf folgendes beschränken: 

  • Sofortige Übergabe aller Unterlagen
  • Lückenlose, geordnete Weitergabe an den ernannten Ermittler.
  • Kooperationspflicht
  • Bereitstellung zusätzlicher Informationen auf Anfrage.
  • Vermittlung von Zeugen oder Kontakten.
  • Öffentliche Klarstellung
  • Deutlich machen, dass er nicht ermittelt, sondern nur den formellen Übermittlungsweg eingehalten hat.
  • Beobachterrolle
  • Keine eigenen Ermittlungen, keine Entscheidungskompetenz.
  • Dennoch im Blickfeld der Öffentlichkeit, weil er die Anzeige entgegengenommen hat.
  • Konsequenz: Ackermann wäre hier deutlich weniger operativ eingebunden, bliebe aber als erster Ansprechpartner und „Startpunkt“ des Verfahrens im Fokus – und damit auch potenziell in der öffentlichen Kritik.


Ackermann bewegt sich ein weiteres Mal auf einem schmalen Grat. Selbst wenn er streng nach Vorschrift handelt, kann er in der öffentlichen Wahrnehmung an Glaubwürdigkeit verlieren – schlicht, weil die Erwartungen aus unterschiedlichen Richtungen unvereinbar sind.

Die Zwickmühlen des Bischofs Ackermann

Die aktuelle Situation bringt für Bischof Stefan Ackermann mehrere heikle Zwickmühlen mit sich. Jede Entscheidung, die er jetzt trifft – oder auch nicht trifft – kann ihm negativ ausgelegt werden.

Transparenz vs. Verschwiegenheit
Ackermann steht zwischen der Pflicht zur Verschwiegenheit und der Erwartung nach Transparenz. Das vatikanische Verfahren erlaubt es ihm nicht, frei über Inhalte oder Zwischenschritte zu sprechen. Gleichzeitig erwarten Betroffene und Öffentlichkeit klare Informationen. Wenn er zu wenig sagt, wirkt das schnell wie Vertuschung. Gibt er zu viel preis, kann er die Verfahrensregeln verletzen und das Verfahren beeinflussen.

Kollegialität vs. Unabhängigkeit
Ackermann befindet sich zudem im Spannungsfeld zwischen Kollegialität und Unabhängigkeit. Kardinal Woelki ist ein Mitbruder in der Bischofskonferenz, was eine kollegiale Verbindung mit sich bringt. Ackermann muss jedoch vollkommen unabhängig ermitteln. Zeigt er zu viel Distanz, könnte man ihm Illoyalität vorwerfen. Zeigt er zu viel Nähe, steht sofort der Verdacht der Parteilichkeit im Raum.

Pflicht zur Amtstreue vs. Erwartungen der Betroffenen
Ackermann muss zwischen der Pflicht zur Amtstreue und den Erwartungen der Betroffenen abwägen. Er ist verpflichtet, das Verfahren strikt nach den vatikanischen Vorgaben zu führen. Betroffene wünschen sich jedoch oft mehr Tempo, Transparenz und Mitwirkung. Wenn Ackermann sich strikt an die Regeln hält, könnte man ihm vorwerfen, die Interessen der Betroffenen zu ignorieren. Passt er sich zu sehr den Erwartungen an, riskiert er, gegen kirchenrechtliche Vorgaben zu verstoßen.

Langwierigkeit des Verfahrens vs. öffentlicher Druck
Ackerman kämpft zugleich mit dem Widerspruch zwischen der Langwierigkeit kirchlicher Verfahren und dem hohen öffentlichen Druck. Vatikanische Verfahren dauern oft Monate oder Jahre, während Medien und Betroffeneninitiativen schnelle Aufklärung fordern. Wenn er abwartet, wirkt er passiv. Wenn er Druck macht, kann er in Konflikt mit Rom geraten und Kompetenzen überschreiten.

Neutrale Ermittlung vs. Signalwirkung
Ackermann steht zwischen neutraler Ermittlung und öffentlicher Signalwirkung. Als Ermittler darf er sich inhaltlich nicht vorab positionieren. Diese notwendige Neutralität kann jedoch leicht als Gleichgültigkeit missverstanden werden. Gibt er ein deutliches Signal, könnte man ihm eine Vorverurteilung oder Parteinahme unterstellen.



Bistum Trier: Bischof Ackermann leitet Anzeige gegen Kardinal Woelki gemäß Vatikanverfahren weiter

Der Trierer Bischof Stefan Ackermann hat die Anzeige des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz gegen Kardinal Rainer Maria Woelki nach Rom weitergeleitet. Damit nimmt alles den Gang, den Papst Franziskus 2019 mit den Verfahrensregeln im Motu proprio "Vos estis lux mundi" festgelegt hat. Viel Spielraum hatte Ackermann nicht: Die Verfahrensordnung legt sowohl seine Zuständigkeit als auch seine Aufgaben klar fest.

Nach Eingang einer Anzeige hat Ackermann klare Pflichten, aber wenig Handlungsspielraum. Die Regeln sehen vor, dass der zuständige Bischof, der die Anzeige erhält, das vatikanische Bischofsdikasterium unverzüglich um den Auftrag bittet, die Untersuchung des Falls einzuleiten. Davon kann der Bischof nur in einem Fall abweichen: Bewertet er eine Meldung als "offenkundig haltlos", kann er die Anzeige archivieren – und nur in diesem Fall; andere Prüfungen, etwa formale Prüfungen oder eine rechtliche Bewertung, sind nicht vorgesehen. Selbst wenn eine Anzeige als haltlos bewertet wird, muss er aber darüber das Bischofsdikasterium informieren, das dennoch ein Verfahren anordnen kann. Wenn das Erzbistum in seiner Stellungnahme zweimal von "offenkundig haltlos" spricht, nimmt es auf diese Regelung Bezug.

Bischof Ackermann hat diese Wertung als "offenkundig haltlos" nicht getroffen. Auf Anfrage von katholisch.de teilte das Bistum Trier mit, dass er die Anzeige "zur Prüfung" über den Nuntius an das Bischofsdikasterium weitergeleitet hat, also nicht nur über eine Archivierung wegen offenkundiger Haltlosigkeit informiert hat. Anders hat der Münchener Kardinal Reinhard Marx in einem anderen Fall entschieden: Eine Meldung über den Passauer Bischof Stefan Oster im Zusammenhang mit einem Streit um Vorwürfe gegen einen Priester bewertete der Erzbischof als nicht stichhaltig.

Im nächsten Schritt muss das Dikasterium tätig werden. Es hat "umgehend", längstens innerhalb von 30 Tagen ab Eingang "angemessene Anweisungen bezüglich der Vorgehensweise im konkreten Fall zu erteilen". Diese Anweisungen können in einem Ermittlungsauftrag an Ackermann bestehen. Wie lange es tatsächlich dauert, ist unklar: Nach der Wahl des bisherigen Präfekten des Dikasteriums, Robert Prevost, zum Papst, ist es momentan noch ohne oberste Leitung.

Grundsätzlich ist der Metropolit oder in diesem Fall sein dienstältester Suffraganbischof die Person, die mit den Ermittlungen betraut wird; das Dikasterium kann aber auch einen anderen Ermittler bestimmen. Dann muss Ackermann alle Unterlagen des Falls an diesen übergeben. Wer auch immer die Ermittlungen durchführt, muss unparteiisch den Sachverhalt erheben, Beweise sichern, Zeugen und gegebenenfalls Beschuldigte befragen. Die Ermittlungen sollen zügig erfolgen. Dazu gibt das Dikasterium eine Frist vor. Gegebenenfalls bittet er das Dikasterium darum, vorbeugende Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu erlassen; selbst erlassen kann der Ermittler keine Maßnahmen. Am Ende übergibt er seine Akten verbunden mit einer Handlungsempfehlung an den Vatikan.

Mit dem Bericht des Ermittlers erlischt sein Auftrag und der Vatikan übernimmt und führt gegebenenfalls einen kirchenrechtlichen Prozess. Sollte es sich um einen regulären Strafprozess handeln, wäre bei einem Kardinal der Papst Richter. Er könnte den Prozess aber delegieren. Eine eventuelle Amtsenthebung bei Pflichtverletzungen regelt dagegen "Come una madre amorevole". Zuständig dafür ist grundsätzlich das Bischofsdikasterium. Am Ende muss aber auch hier der Papst über Konsequenzen entscheiden. (den vollständigen Text auf "katholisch.de" lesen)