- Es habe zwischen 1981 und 2001 kein Verfahren gegen einen Täter gegeben
- Der "pastorale Umgang" mit Verbrechen sei "verfehlt" worden
- Machstrukturen in der Kirche hätte Missbrauch begünstigt und Ahndung verhindert
- "Schutz der Institution hätte über den Rechten und Bedürfnissen von Betroffenen gestanden"
- Weihbischof Leo Schwarz habe "falsch agiert"
- Schwarz sei "unangemessen" mit Missbrauchsfällen umgegangen
- Schwarz habe sogar Verbrechen sexuellen Missbrauchs vertuscht (!)
- Es habe eine zu große Empathie für die Priester-Täter gegeben
- Die Sorge sei damals gewesen, den Ruf der Priester und der Kirche zu schützen
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- Sexueller Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche im Bistum Trier - die Chronologie
Freitag, 26. Juli 2024
Bistum Trier: Trierer Bischof kritisiert Vorgänger Spital - oder: Die Geschichte vom Splitter und vom Balken und der Heuchelei
Bistum Trier: Stellungnahme von Bischof Stephan Ackermann zum Zwischenbericht
Stellungnahme von Bischof Stephan Ackermann zum Zwischenbericht
Donnerstag, 25. Juli 2024
Bistum Trier: Fakten aus dem Bericht "Sexueller Missbrauch in der Amtszeit von Hermann Josef Spital" - Teil 1
- > Ich veröffentliche die Fakten aus dem Bericht dosiert (in mehreren Teilen), da es auch für mich eine große Belastung darstellt, das alles zu lesen.
Veränderte Lebensschicksale -
Einblick in die meist langfristigen Schädigungen und Beeinträchtigungen, mit denen die ermittelten Betroffenen als Erwachsene zu kämpfen hatten und haben.
- Wichtig ist, sich der Tatsache bewusst zu sein, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen noch in den 1980er und 1990er Jahren in einer Gesellschaft lebten, die nur wenig Verständnis für die Beschädigungen aufbrachte, welche sexueller Missbrauch in der Psyche und der Physis von Kindern und Jugendlichen verursacht. Zudem besaßen nur wenige fundiertes Wissen über die langfristigen Folgen sexuellen Missbrauchs. Dies hat den Umgang aller in diese Taten Verwickelten tiefgreifend geprägt – zu Lasten der Kinder und Jugendlichen. Ein Teil der Betroffenen ist durch den sexuellen Missbrauch traumatisiert worden. Sie haben sich vor den gewalttätigen und angstauslösenden Geschehnissen, die ihr Selbst gefährdeten, geschützt, indem sie deren Spuren unzugänglich abspeicherten. Ihnen wurden erst viel später die Missbrauchstaten wieder bewusst, an deren Folgen sie bis dahin gelitten hatten.
- Eine Zahl mag diesen Zusammenhang verdeutlichen: Betroffene von Missbrauch zwischen 1980 und 2000 gehörten überwiegend Alterskohorten an, die zwischen 1970 und 1989 geboren worden sind. Nur bei 34 (!) von 172 ermittelten Personen dieser Altersgruppe wurden die Missbrauchsfälle zeitnah (sofort bis weniger als fünf Jahre später) erkannt, viele der Betroffenen haben sich erst im mittleren und späteren Erwachsenenalter als Opfer von Missbrauchstaten selbst erkannt und dann anderen anvertraut.
- Die Lebensschicksale dieser Menschen sind in ganz unterschiedlicher Weise und Härte vom sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit oder Jugend verändert worden. Missbrauchsfällen, die keine oder geringe körperliche, soziale oder psychische Beeinträchtigungen zeitigten, stehen die Fälle schwerer Beeinträchtigungen und langfristiger schwerer psychischer und körperlicher Leiden gegenüber.
- Wir haben zum einen Betroffene ermittelt, die als Schülerinnen oder Schüler beziehungsweise Messdienerinnen und Messdiener Opfer einmaliger sexueller Übergriffe oder Grenzüberschreitungen durch Priester geworden waren. Wenn sie das Glück hatten, dass sie als Teil einer größeren Gruppe von Betroffenen noch in direkter zeitlicher Nähe zu den Übergriffen als Opfer identifiziert worden waren und dies zeitgenössisch zur Anzeige kam, sorgten strafrechtliche Verfahren, schützende Maßnahmen der Erwachsenen und kirchliche Maßnahmen wie Versetzung der Täter dazu, dass weitere Übergriffe gegen sie unterbunden wurden. Sie konnten beziehungsweise mussten zeitnah über den Missbrauch mit Eltern, Lehrern oder anderen erwachsenen Vertrauenspersonen sprechen.
- Vielfach konnten solche Kinder oder Jugendliche trotz ihrer Beschämung und ihres Schreckens ein normales Leben ohne größere Einschränkungen und Krankheiten führen. Dies gilt auch für eine kleinere Zahl von Betroffenen, die sich seit 2010 im Rahmen der kirchlichen Verfahren zur Anerkennung ihres Leids gemeldet haben und sich selbst als frei von langfristigen Schädigungen oder Erkrankungen erklärten.
- Diese „Resilienz“ hing von vielen weiteren situativen Umständen, aber auch günstigen Voraussetzungen ab, auf die die Kinder selbst aufgrund ihrer psychischen oder physischen Konstitution zurückgreifen konnten.
- Viele der von uns ermittelten Betroffenen waren in ihrem weiteren Leben auf therapeutische Hilfe angewiesen. Sie profitierten davon, dass seit den 1990er Jahren Traumatisierungen durch sexuellen Missbrauch anerkannt und nach und nach in der Region gezielte traumatherapeutische Angebote für die Betroffenen bereitgestellt und von den Krankenkassen auch bewilligt und finanziert worden sind. Dabei handelte und handelt es sich oft um langjährige intensive Therapien, bei denen es neben der Behandlung der meist „komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung“ auch um die Linderung der daraus resultierenden psychosomatischen Beschwerden geht. Typisch waren und sind Depressionen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen bis hin zu „dissoziativen Identitätsstörungen“.
- Besondere Belastungen bis hin zu lebenslangen Schädigungen erlitten Kinder und Jugendliche, die über längere Zeit durch Priester missbraucht worden sind und die von den Tätern gezielt und erfolgreich psychisch abhängig gemacht worden sind.
- In der Amtszeit von Bischof Spital waren mehrere Täter im Kirchendienst tätig, die mal subtile, mal gewalttätige Strategien der Verführung und der Vereinnahmung entwickelten, um ihre Opfer (viele im Alter zwischen 9 und 16) über Jahre hinweg zu dienstbaren Objekten ihrer sexuellen Befriedigung zu machen.
- Die Situation der Kinder und Jugendlichen schildert exemplarisch ein Betroffener in einem Brief an das Bistum Trier. Er war zwischen 1982 bis 1987 im Alter von 11 bis 16 vom Pfarrer seiner Gemeinde sexuell missbraucht worden. Der Täter hatte ihn gezielt verführt und dann eng an sich gebunden, und sorgte umsichtig und gezielt für Orte und Gelegenheiten, um seinen sexuellen Missbrauch auszuleben. Leider kamen ihm bei seinem pädokriminellen Tun auch Amtsbrüder zur Hilfe, die über seine Körperkontakte zu dem Messdiener in ihrer Gegenwart hinwegsahen oder aber als Beichtväter die Ängste und Nöte des Jungen noch steigerten (!) (Es folgen Zeilen aus dem Brief des Betroffenen, Anmerk. ca)
- Für die Amtszeit von Bischof Spital haben wir mindestens 148 Personen ermittelt, die von solchen Intensivtätern missbraucht wurden und von denen viele beziehungsweise die meisten über mehrere Jahre anhaltenden sexuellen Missbrauch mit psychischer Abhängigkeit erlitten.
- Für viele von ihnen war der Weg aus dieser Falle:
- oft schwer und schmerzhaft,
- er war begleitet von Schuldgefühlen, Suizidgedanken, Phasen schulischen Versagens, Zeiten intensiven Alkohol- oder Drogenkonsums.
- Die Wege zu Schulabschlüssen und Berufswahl wurden länger, zuweilen auch weniger erfolgreich;
- Partnerschaften waren für sie schwer, für einige unmöglich.
- Diffuse psychosomatische Beschwerden wurden typische Begleiterscheinungen ihres Erwachsenenlebens.
- Die Gespräche mit Betroffenen zeigen immer wieder die vielen subtilen, aber nachhaltigen Beschädigungen, die sich gerade aus solchen mehrere Jahre andauernden Missbrauchsgeschehen ergeben haben.
- Arbeitsunfähigkeit aufgrund dieser Beschwerden und Frühverrentungen aufgrund von Berufsunfähigkeit sind in den Akten immer wiederkehrende Folgen.
- Für viele Betroffene haben die öffentliche Aufarbeitung und die konkrete Aufdeckung von Täterlaufbahnen dauerhaft entlastende Wirkung gezeigt, da sie nun die Täter benannt, die Gefahren für Kinder und Jugendliche heute bekämpft und die Anerkennung ihres Leids als einen meist kleinen Schritt zu später Gerechtigkeit, vor allem aber lebenspraktischer Hilfe und Unterstützung erfahren haben.
Mittwoch, 24. Juli 2024
Bistum Trier: mindestens 199 Opfer sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester zwischen 1981 und 2001 - mindestens drei Opfer suizidierten sich unmittelbar nach den Taten
Auch in der Amtszeit von Bischof Hermann Josef Spital konnten Priester offenbar Kinder missbrauchen, ohne harte Sanktionen fürchten zu müssen.
Das geht aus einem neuen Bericht über sexuellen Missbrauch im Bistum hervor, den Historiker am Mittwoch vorgestellt haben. Pfarrer V. inszeniert sich in den 1990er-Jahren als selbstloser Helfer in der Ukraine. Doch hinter der Maske des Wohltäters versteckt sich ein Sexualstraftäter. In mindestens 28 Fällen soll sich der Priester an Kindern vergangen haben.Im November 1994 verurteilt ihn das Amtsgericht Saarbrücken zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Im Bistum sind die Vorwürfe damals bekannt. Verantwortlich: Der damalige Trierer Bischof Hermann Josef Spital. Er beurlaubt V. zunächst, schickt ihn dann in Therapie und versetzt ihn schließlich in die Ukraine zum Hilfswerk Renovabis, dem Osteuropa-Hilfswerk der katholischen Kirche.Typischer Umgang mit MissbrauchstäternDer Fall ist offenbar beispielhaft für den Umgang von Bischof Hermann Josef Spital mit Straftätern in den eigenen Reihen. Das geht auch aus dem neuen Zwischenbericht hervor, den Historiker der Universität Trier am Mittwochnachmittag vorgestellt haben. Spital war von 1981 bis 2001 Bischof von Trier.
1.000 Akten ausgewertet
Grundlage bilden mehr als 1.000 ausgewertete Akten und 20 Gespräche mit Betroffenen und Zeitzeugen, die die Wissenschaftler vom "Projekt zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Trier" geführt haben. Damit wollten die Wissenschaftler Licht ins Dunkel der Jahre 1981 bis 2001 bringen - in die Missbrauchsfälle während der Amtszeit von Bischof Hermann Josef Spital. Vergangenes Jahr hatten sich die Fachleute bereits mit Bischof Bernhard Stein befasst, der von 1967 bis 1981 Missbrauchstaten von Priestern vertuscht haben soll.
Versetzen statt bestrafen
Doch auch in der Zeit danach sei der Umgang der Kirche mit Missbrauchstätern "befremdlich" gewesen, wie es im Bericht heißt. Anfänglich hätten der Bischof und die eingeweihten Geistlichen die Straftaten als Bagatellen bewertet. Manchmal wurden die Täter ins Ausland geschickt.
Freitag, 5. Juli 2024
Bistum Trier: Jahresbericht zur Aufarbeitung und Verhinderung von Missbrauchsfällen für 2023 vorgestellt: Mindestens 9 (!) weitere verstorbene Priester und Ordensspriester des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Weitere 10 (!) beschuldigte noch lebende Kleriker oder Angestellte in Pfarreien und Einrichtungen des Bistums!
Heute hat das Bistum Trier seinen "Jahresbericht 2023 Prävention - Intervention - Aufarbeitung" vorgestellt:
Beschuldigungen gegen lebende Personen
- 2023 beschäftigte sich der Krisenstab mit 10 Beschuldigungen zu Missbrauch durch lebende Kleriker oder Angestellte in den Pfarreien und Einrichtungen des Bistums
- Bei den Beschuldigten handelt es sich um 8 Pfarrer (davon 5 im Ruhestand) und einen Ordenspriester, die Aufgaben in der Pastoral im Bistum Trier wahrnehmen oder wahrgenommen haben
- Die Beschuldigung gegen einen Laien wurde ebenfalls in der Verantwortung des Bistums untersucht. Zwar war dieser nicht in einer Einrichtung des Bistums tätig gewesen, gemäß kirchlichen Strafrechts wurde derjenige Ortsbischof beauftragt, in dessen Bistum die mutmaßliche Straftat begangen worden ist.
- Drei Beschuldigungen bezogen sich auf aktuelle Vorfälle ab 2020, die anderen auf länger zurückliegende Delikte.
- In sechs Fällen wurden erstmalig gegen den Beschuldigten Vorwürfe erhoben.
- Zwei Beschuldigungen bezogen sich auf Taten gegen Erwachsene.
- Vier staatsanwaltliche Verfahren, die vor 2023 eröffnet worden waren, wurden 2023 eingestellt.
- Im Jahr 2023 wurden sechs Fälle an die Staatsanwaltschaft gegeben, wobei drei im gleichen Jahr wieder eingestellt wurden.
- Hinzu kommt ein noch laufendes Verfahren aus dem Jahr 2021.
- 2023 wurden fünf Voruntersuchungen abgeschlossen, die vor 2023 eröffnet worden waren.
- Fünf kirchenrechtliche Voruntersuchungen wurden eröffnet.
- Zwei Voruntersuchungen aus dem Jahr 2022 laufen weiter.
- Ein Pfarrer im Ruhestand wurde in 2023 von einem weltlichen Gericht rechtskräftig verurteilt.
- Es gab zwei laufende kirchliche Strafverfahren, die beide in 2023 abgeschlossen worden sind.
- In beiden Fällen haben die Priester Rekurs eingelegt.
- Von der Schwere her waren aktuelle Beschuldigungen eher im Bereich Grenzverletzungen und Übergriffe angesiedelt. Sie basierten auf frühzeitigen und schnellen Mitteilungen.
- Bei zurückliegenden Delikten ging es eher um schwere Formen sexualisierter Gewalt. Es wurden acht Erst-Anträge auf Anerkennung des Leids eingereicht.
- 2023 gingen 9 (Erst-) Anträge aufgrund sexualisierter Gewalt durch verstorbene Kleriker oder Angestellte in den Pfarreien und Einrichtungen des Bistums ein.
- Bei den Beschuldigten handelte es sich um 8 Pfarrer (davon einer zum Zeitpunkt der Tat in einem Internat tätig) sowie um einen Ordenspriester im Gestellungsverhältnis
- In zwei Fällen wurden erstmalig gegen den Beschuldigten Vorwürfe erhoben.
- Eine Beschuldigung bezieht sich auf eine Tat gegenüber einem Erwachsenen.
- Bis auf eine (aus dem Jahr 2001) beziehen sich alle Beschuldigungen auf Delikte, die im letzten Jahrhundert erstmalig verübt wurden.
- In 2023 wurden 66 Fälle (rückwirkend bis ins Jahr 1963) an die Berufsgenossenschaften gemeldet.
- Im Jahr 2023 wurden Leistungen in Anerkennung des Leids für 26 Anträge in Höhe von insgesamt 485.500 € ausgezahlt (Erst- und Folgeanträge sowie Anträge nach Ziff. 12 der Verfahrensordnung (VerfO) Anerkennung des Leids).
- Ein Erst- und ein Zweit-Antrag wurden durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen als sogenannte Härtefälle gewertet (größer/gleich 50.000 €);
- nimmt man die Widersprüche hinzu, sind es fünf.
- Im Jahr 2021 wurden 84 Anträge eingereicht (davon 21 Erstanträge), 2022 waren es 26 (davon 22 Erstanträge), im Jahr 2023 waren es 22 Anträge (davon 19 Erstanträge)
- Im Jahr 2023 wurden Therapiekosten in Höhe von 36.579,22 € erstattet.
EHS / Fonds Sexueller Missbrauch (FSM)
- Im Rahmen des Ergänzenden Hilfesystems (EHS) wurden Leistungen in Höhe von 4.416,12 € übernommen.
- Damit wurden insgesamt seit 2010 materielle Anerkennungen des Leides in Höhe von 2.702.000 € ausgezahlt sowie Therapiekosten in Höhe von 143.300,14 €.