Die katholischen Bischöfe tun sich mit der Aufklärung sexueller Gewaltverbrechen durch Priester nach wie vor äußerst schwer. Der Aufklärungs-Gau der Deutschen Bischofskonferenz, seine Hintergründe und Nachwirkungen. Eine Analyse von Thomas Seiterich
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Was im Vertrag fehlte, war ein Hinweis auf das Kirchenrecht (CIC). Der CIC-Paragraf 489 verfügt die Nichtherausgabe von Geheimakten. Paragraf 490 ordnet an: »Nur der Bischof darf den Schlüssel zum Geheimarchiv haben.« Die Geheimakten sind also nicht so einfach an Pfeiffers Team ausleihbar. Im CIC-Paragrafen 489 steht: »Jährlich sind die Akten der Strafsachen in Sittlichkeitsverfahren, die seit einem Jahrzehnt durch Verurteilung abgeschlossen sind, zu vernichten, ein kurzer Tatbestandsbericht mit dem Endurteil ist aufzubewahren.«
Das Kirchenrecht schreibt also die Aktenvernichtung vor. Der Chef des Forschungsprojekts, selbst Protestant, erfuhr dies erst viele Monate später. Im Forschungsbericht seines Instituts stand: »Angesichts der Tatsache, dass sich offenbar die große Mehrheit der im Lauf des Jahres 2010 bekannt gewordenen innerkirchlichen Missbrauchsfälle in der Zeit vor 1990 ereignete, wird es nicht ausreichen, nur die letzten zehn oder zwanzig Jahre in die Untersuchung einzubeziehen.« Deshalb hatte Pfeiffer mit den Bischöfen vereinbart, in neun Bistümern, darunter den besonders kooperationsbereiten Trier und Hildesheim, eine »Tiefenbohrung« vorzunehmen.
Pfeiffer rechnete damit, dass der zeitliche Schnitt bis 1945 ergäbe, dass das Gros der Verbrechen in der Zeit des autoritären katholischen Milieus von 1950 bis 1980 verübt worden war – folglich heute die Verhältnisse in der Kirche besser seien. Doch mangels Akten konnte das KFN diese Forschungen nicht durchführen.
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Am Ende bleibt der Glaubwürdigkeitsverlust. Die Bischöfe hatten sich mehr oder weniger blindlings in ein Forschungsprojekt gestürzt, vor dem viele unter ihnen dann immer mehr Angst bekamen. Ist echte Aufklärung mit der Bischofskonferenz und dem Kirchenrecht überhaupt möglich? Diese Frage stellt sich jetzt in aller Schärfe.
Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung gerät die Zusammenfassung der Ergebnisse der Münchner Missbrauchsstudie aus dem Jahr 2010 erneut in den Blick. Ihr Resultat ist beschämend für die Kirchenleitung. Hier zeige sich, so die Münchner Gutachter, die Jahrzehnte währende völlige Missachtung der Opfer und eine durchgängige, wenn auch in unterschiedlicher Entschlossenheit ausgeprägte Bereitschaft, »selbst gravierende Vergehen unaufgeklärt und ungesühnt zu lassen«. Diese Bereitschaft wurzele in einem »fehlgeleiteten klerikalen Selbstverständnis, das, einem brüderlichen Miteinander verpflichtet, in einem im Ergebnis rücksichtslosen Schutz des eigenen Standes eine Rechtfertigung für eine nicht tolerable Vertuschung sucht«.
Rund 13 200 Personalakten hatte die Rechtsanwältin Marion Westpfahl und ein Team von Mitarbeitern durchforscht. Etwa 365 dieser Unterlagen wiesen eindeutige Missbrauchshinweise auf. Im Übrigen waren in München die sensiblen Personal- und Missbrauchsakten teils ausgelagert, teils nicht gesichert – jahrzehntelang waren Aktenklau und Manipulation möglich.