Donnerstag, 23. November 2023

Bistum Trier: Missbrauchsopfer Timo Ranzenberger, der vor Jahren das Verfahren um die Vorwürfe gegen den ehemaligen Pfarrer von Freisen ins Rollen gebracht hat, kämpfte über Jahre hinweg gegen großen Widerstand: "Keiner kann jetzt mehr sagen, ich sei ein Lügner, Rufmörder, Verleumder"


Timo Ranzenberger, unmittelbar nachdem er von dem Urteil des Kölner Kirchengerichts erfuhr.

Foto: privat



„Keiner kann jetzt mehr sagen, ich sei ein Lügner, Rufmörder, Verleumder“

Freisen · Missbrauchsopfer Timo Ranzenberger hatte Jahre auf das Urteil des Kirchengerichts gewartet. Dass dieses nun auch den sexuellen Missbrauch durch den Ex-Priester aus Freisen als erwiesen ansieht, ist für den heute 39-Jährigen „Balsam für die Seele“.

Ranzenberger hatte vor Jahren das Verfahren um die Vorwürfe gegen M. ins Rollen gebracht – zunächst gegen den Widerstand der Kirche und des Bistums. Mehrfach habe Otmar M. ihn sexuell missbraucht.

Das Urteil des Kirchengerichts ist für Ranzenberger ein Lichtblick. „Ich habe am Dienstag, 21. November, Post von Bischof Ackermann erhalten. Diese Post vom Bistum Trier war für mich wahnsinnig erfreulich“, sagt er der SZ. „Nach einer gefühlten und auch gelebten Ewigkeit“ habe er nun Gewissheit. Das aktuelle Urteil des Kölner Kirchengerichts gegen den ehemaligen Pfarrer aus Freisen (Landkreis St. Wendel) entspreche dem, was nach Ansicht von Ranzenberger von Anfang an hätte passieren müssen. „Nichts anderes als die Entlassung aus dem Klerikerstand für den Freisener Ex-Pfarrer habe ich erwartet.“

Das kirchenrechtliche Urteil bedeute für ihn, mit diesem Kapitel seines Lebens „endlich abschließen“ zu können. M. habe nun das erhalten, was er sich selbst redlich verdient habe über Jahre und Jahrzehnte hinweg. „Keiner kann jetzt mehr sagen, ich sei ein Lügner, Rufmörder, Verleumder.“

Nun hoffe Ranzenberger, dass in Kürze auch die Aufarbeitungskommission zu seinem und den weiteren Fällen „in der Causa Freisen ihr Ergebnis zu den jeweiligen Rollen der Vorgesetzten Bischöfe und Generalvikare vorlegen wird“. Diese Aufarbeitung sei noch nicht abgeschlossen. Hier gebe es noch einige offene Fragen zu den Bischöfen Marx, Ackermann und Bätzing. Diese waren die Vorgesetzten des jetzt Verurteilten in seiner Zeit als Pfarrer in Freisen. (den vollständigen Artikel auf "saabruecker-zeitung.de" lesen)


Bistum Trier: Kirchengericht verhängt Höchststrafe gegen Ex-Pfarrer aus Freisen: Entlassung aus dem Klerikerstand - Angeklagter wurde in allen untersuchten Fällen wegen sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen

 Nach über fünf Jahren Prozessdauer hat ein Kirchengericht den ehemaligen Missbrauchspriester aus Freisen zur Höchststrafe verurteilt. Der 69-Jährige hat die Vorwürfe bisher bestritten. Was das Urteil nun bedeutet.

Höchststrafe für einen wegen Missbrauchs verurteilten ehemaligen Trierer Bistumspriester: Ein Kirchengericht hat den früheren Pfarrer der saarländischen Gemeinde Freisen, Otmar M., aus dem Klerikerstand entlassen. Das Gericht sah es nach einer Mitteilung des Bistums Trier als erwiesen an, dass der Geistliche mehrere Personen sexuell missbraucht hat. Erst im Februar hatte auch das Saarbrücker Landgericht den heute 69-Jährigen wegen sexueller Nötigung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Otmar M. 1997 in seinem Pfarrhaus einen 14-jährigen Messdiener gedrängt hatte, sexuelle Handlungen an sich zu dulden. Der Priester bestritt die Vorwürfe.

Mit dem aktuellen Urteil des Kölner Kirchengerichts dürfte die Glaubwürdigkeit des Geistlichen endgültig dahin sein.

Mit der Entlassung aus dem Klerikerstand darf Otmar M., der seit 2015 im Ruhestand ist, nicht mehr als Priester tätig sein. Die mit der Weihe empfangenen Rechte und Pflichten sind aufgehoben; die Priesterweihe bleibt aber weiter gültig. Außerdem verliert er nach Angaben des Bistums seinen Anspruch auf ein Ruhegehalt. Nun ist er ausschließlich auf das angewiesen, was ihm staatlich zusteht. (den vollständigen Artikel auf "saarbruecker-zeitung.de" lesen)

Mit dem Urteil hat das Kirchengericht in Köln den Angeklagten in allen untersuchten Fällen wegen sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen, wie es in einer Pressemitteilung des Bistums Trier heißt. Dabei ging es um fünf Personen, deren Fälle vom Kirchengericht verhandelt wurden. Außerdem wurden weitere Personen als Betroffene sexuellen Missbrauchs durch den Ex-Pfarrer anerkannt. (swr.de)

Das Urteil des Kirchengerichtes in Köln ist noch nicht rechtskräftig. Der Priester hat beim römischen Dikasterium die Möglichkeit, Einspruch dagegen einzulegen.

Laut Bistum Trier wurde seit 2010 gegen sechs Geistliche die kirchenrechtliche Höchststrafe verhängt.

Für den „Fall Freisen“ waren zuständig: Kardinal Reinhard Marx als Bischof von Trier (2002-2008), sein Nachfolger Stephan Ackermann und dessen damaliger Generalvikar Georg Bätzing (2012-2016), heute Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.



Offizielle Presseerklärung des Bistums Trier

Köln/Trier – Das Kirchengericht der Erzdiözese Köln hat den früheren Pfarrer von Freisen (Saarland) O.M. des sexuellen Missbrauchs von fünf Personen für schuldig befunden. Das haben die Pressestellen der (Erz-)Bistümer Köln und Trier am 23. November mitgeteilt. Das Gericht verhängte als Strafe die Entlassung aus dem Klerikerstand. 

Gegen den früheren Pfarrer hatte das Kirchengericht der Erzdiözese Köln seit März 2018 einen kirchlichen Strafprozess auf dem Gerichtsweg geführt (siehe Strafverfahren wird eingeleitet (paulinus-bistumsnews.de)). Die vorhergehende kirchenrechtliche Voruntersuchung des Bistums Trier hatte den Verdacht erhärtet (siehe Verdacht des sexuellen Missbrauchs gegen ehemaligen Freisener Pfarrer erhärtet (paulinus-bistumsnews.de)).

Mit seinem Urteil hat das Gericht den Angeklagten in allen Fällen schuldig gesprochen. Über die fünf betroffenen Personen hinaus, deren Fälle Gegenstand des Verfahrens waren, erkennt das Bistum Trier weitere Personen als Betroffene sexuellen Missbrauchs durch den früheren Pfarrer an. Dass ihre Fälle nicht im kirchlichen Verfahren berücksichtigt wurden, hat verschiedene Gründe: Entweder hatten die Betroffenen das im kirchlichen Gesetz festgesetzte Schutzalter bereits überschritten oder die ausführlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaften haben keinen für eine Anklage ausreichenden Tatnachweis erbracht; oder die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben sich so lange hingezogen, dass deren Ergebnisse nicht mehr in das laufende kirchliche Strafverfahren mit einbezogen werden konnten, ohne in Gefahr zu geraten, dass sich dieses noch weiter in die Länge gezogen hätte. Bei seiner Gesamtbewertung hat das Kölner Kirchengericht auch das berücksichtigt, was das Landgericht Saarbrücken in seinem Urteil vom 22. Februar 2023 zu den weiteren Fällen ausgeführt hat. Die Betroffenen können, sofern sie das nicht schon getan haben, finanzielle Leistungen in Anerkennung des Leids beantragen.

Bischof Dr. Stephan Ackermann zeigte sich erleichtert über den Abschluss des Verfahrens. Ihm sei bewusst, dass die lange Prozessdauer für die Betroffenen eine große Belastung gewesen sei. „Ich hoffe und wünsche den betroffenen Personen, dass sie nun, wo das Gericht den Priester schuldig gesprochen und damit die Aussagen der Betroffenen als glaubhaft erachtet hat, eine Art Abschluss und vielleicht Frieden finden können. Was die Betroffenen an Leid durch diesen Priester erfahren haben, ist ein schreckliches Unrecht, an dem sie seit vielen Jahren tragen.“ Ackermann sagte, er habe allen Betroffenen ein persönliches Gespräch angeboten. Der Trierer Bischof sagte weiter, er gehe davon aus, dass der Fall insgesamt auch Gegenstand der unabhängigen Aufarbeitung im Bistum Trier sein werde. „Sowohl im Umgang mit Betroffenen als auch in der Handhabung des Falls sind Fehler passiert. Das haben ich und die weiteren Verantwortlichen bereits eingestanden.“ Der zweite Zwischenbericht der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Trier hatte bereits erste Hinweise zu dem Fall gegeben. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; der Priester hat die Möglichkeit, gegen das Urteil Einspruch einzulegen beim römischen Dikasterium für die Glaubenslehre. Das Dikasterium ist über das Urteil informiert. 

Dem angeklagten Priester wurde das Urteil zugestellt. Die betroffenen Personen sind ebenfalls informiert worden, genauso wie das Pastoralteam und die Gremienvorstände der früheren Pfarrei des Priesters. (Quelle: paulinus-bistumsnews.de)


 

Bistum Trier: "Zur Aufarbeitung gehört auch, dass sich auch Bischof Ackermann ehrlich macht und nicht abwartet, bis im Jahr 2026 der Abschlussbericht kommt, in dem man ihm nachweisen wird, dass auch er es versäumt hat, in seinem Bistum Missbrauch wirksam zu bekämpfen... Wir sind uns sehr sicher, dass noch mehr Vertuschungsvorwürfe ans Licht kommen, wenn die Bischöfe Ackermann, Bätzing und Marx beleuchtet werden."

Nach einem weiteren Bericht zu Missbrauch im Bistum Trier wird klar: Immer wieder wurden Täter mit Wissen von Bischöfen ins Ausland versetzt. Betroffene kritisieren ein riesiges Dunkelfeld und die schleppende Aufklärung.

Hermann Schell (Vorsitzender der Trierer Betroffeneninitiative MissBiT e.V.): "Es war damit zu rechnen, dass die Opferzahlen und die Zahl der Beschuldigten steigen würden, das werden wir in den kommenden Berichten auch noch erleben. Und das sind nur die bekannten Zahlen, die Dunkelziffer lässt sich gar nicht abschätzen.  Wenn man in Betracht zieht, dass zu jedem Opfer mindestens ein oder mehrere Übergriffe gehören, geht die Zahl der Taten sicher in die Tausende."

DOMRADIO.DE: Haben Sie insgesamt den Eindruck, dass es mit der Aufklärung und Aufarbeitung im Bistum Trier weiter geht?

Schell: "Das ist eine schwierige Frage. Ich würde es so formulieren: Im Moment betreibt das Bistum Missbrauchsverwaltung und wir sind noch nicht an dem Punkt "Aufarbeitung", sondern "Aufdeckung". Das ist ein großer Unterschied. Zur Aufarbeitung gehört, dass sich auch Bischof Ackermann ehrlich macht und nicht abwartet, bis im Jahr 2026 der Abschlussbericht kommt, in dem man ihm nachweisen wird, dass auch er es versäumt hat, in seinem Bistum Missbrauch wirksam zu bekämpfen.

Die Untersuchungen schreiten fort: Man wandert jetzt über Bischof Stein und Bischof Spital in die Gegenwart. Das heißt, die Zeit der aktuellen Bischöfe Ackermann, Bätzing und Marx werden noch beleuchtet. Und wir sind uns sehr sicher, dass da noch mehr Vertuschungsvorwürfe ans Licht kommen."

das vollständige Interview mit Hermann Schell, MissBiT auf domradio.de lesen

Mittwoch, 22. November 2023

Bistum Trier: Beschuldigte Priester können weiterhin als Seelsorger in Pfarreien eingesetzt werden

 Die Kommission kritisiert die Aufsicht des Bistums über Beschuldigte und Täter als „zumindest in der Vergangenheit unzureichend". Bischof Stephan Ackermann erließ demnach 2022 eine Ordnung, die das ändern soll und unter anderem Aufsichtspersonen vorsieht. Die Kommission spricht von einem „positiven Bemühen", bezweifelt allerdings, dass die Ordnung zielführend ist. Denn sie lasse in der Praxis wichtige Fragen offen. Auch könnten beschuldigte Priester weiterhin als Seelsorger in Pfarreien eingesetzt werden.("vaticannews.va")

Bistum Trier: Über 12% mehr Betroffene und über 16% mehr Beschuldigte im Bistum Trier als bisher bekannt

Mehr Missbrauchsopfer als angenommen

Im Bistum Trier gibt es mehr Beschuldigte und Opfer von sexuellem Missbrauch als bisher bekannt.

Das hat die Aufarbeitungskommission bekannt gegeben. 

Zwischen 1946 und 2021 gab es nach Angaben der Kommission 579 Betroffene und 227 Beschuldigte. 

Vor einem Jahr nannte die Kommission noch 513 Betroffene und 195 Beschuldigte. 

Quelle: SAARTEXT vom 22.11.2023

Bistum Trier: Aufarbeitungskommission kritisiert Aktenführung im Bistum Trier - Mehr Opfer, mehr Täter und neue Vorwürfe

Kommission kritisiert Aktenführung

Die Aufarbeitungskommission zum sexuellen Missbrauch im Bistum Trier kritisiert die dortige Aktenführung. 

  • Es gebe keinen Hinweis, dass Fehler aus der Vergangenheit abgestellt worden seien
  • Auch in jüngerer Vergangenheit hätten Versäumnisse, etwa bei der Führung von Personalakten, den Informationsstand von Verantwortlichen verfälscht und adäquate Reaktionen vereitelt.

Die Aufarbeitungskommission war 2021 eingerichtet worden und hat heute ihren zweiten Zwischenbericht vorgelegt. Mit dabei ist auch der frühere Abteilungsleiter im Saar-Sozialministerium, Heyd. (Quelle: SR)




Missbrauch im Bistum Trier: Mehr Opfer, mehr Täter und neue Vorwürfe

Die Aufarbeitungskommission zum Missbrauch im Bistum Trier hat am Mittwoch ihren zweiten Zwischenbericht vorgelegt. Sie beleuchtet darin auch die Rolle des früheren Weihbischofs Leo Schwarz. Claus Weber war 35 Jahre lang Priester. Er predigte in Trier, in Koblenz, in Bonn und lange Jahre in Bolivien, wo er auch Waisenhäuser gründete. Lange war der Theologe ein angesehener Mann in der Kirche und der Öffentlichkeit. Bis das Bistum Trier dieses Jahr öffentlich machte, dass Weber spätestens seit 1978 immer wieder Kinder missbraucht hat. Der Fall des 2020 verstorbenen Priesters ist einer der bekanntesten, mit dem sich die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistums Trier befasst hat. Er wird auch ausführlich im zweiten Zwischenbericht der Kommission behandelt, der am Mittwoch in Trier vorgestellt wurde. 

Weihbischof soll Taten von Claus Weber vertuscht haben. 

Darin wird auch die Rolle des ehemaligen Weihbischofs Leo Schwarz beleuchtet. In Bolivien war "Padre Leo", wie er dort genannt wurde, fast eine Legende. Als erster Priester soll er Anfang der 1960er Jahre mit den Revolutionstruppen Che Guevaras verhandelt und einen Angriff auf ein Dorf verhindert haben.

Jetzt kam heraus: Schwarz teilte nicht nur seine Liebe zu Bolivien mit Claus Weber, sondern wohl auch ein Geheimnis. Als gegen Weber Missbrauchsvorwürfe laut wurden, vermittelte Schwarz für Weber eine Pfarrstelle in Ecuador. Und zwar über Bischof Emil Stehle, der als Sexualstraftäter und Fluchthelfer für andere Täter aus ganz Europa bekannt wurde.

Hatte es System, Missbrauchstäter ins Ausland zu schicken? 

Jutta Lehnert zeigte sich heute nach der Vorstellung des Berichts im Interview mit dem SWR schockiert, dass sie von diesen Verbrechen erst vor Kurzem erfahren hat. "Ich hab Claus Weber persönlich gekannt", sagt die frühere Pastoralreferentin: "Ich hab sogar für seine Kinderheime damals Geld gesammelt. Und bin natürlich erstaunt, was sich dahinter Mann alles verbirgt." Lehnert, die sich inzwischen bei der Initiative MissBit (Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier) für die Opfer von sexuellem Missbrauch engagiert, glaubt, dass dieses Vorgehen der Kirche System hat: "Weihbischof Schwarz hatte mit seinem Engagement in Bolivien und für Misereor unendlich viele Möglichkeiten Täter ins Ausland zu schicken." Lehnert glaubt daher, "dass wir erfahren werden, dass Claus Weber nicht der Einzelfall ist.“ 

Auch Bischof Spital ist Fällen nicht nachgegangen

Auch der frühere Trierer Bischof Hermann-Josef Spital soll von den Vorwürfen gegen Claus Weber gewusst haben, heißt es in dem am Mittwoch vorgestellten Zwischenbericht. Die Verantwortlichen, so wörtlich, "unternahmen aber keine eigenen Schritte zur Klärung der Fakten".

Im Gegenteil: Ihr Umgang mit diesem Fall, heißt es weiter, zeige "exemplarisch, dass es ihnen primär um den guten Ruf der Kirche und ihrer Repräsentanten ging." Mit dem Leid der Betroffenen habe man sich nicht "hinreichend auseinandergesetzt".

Kommission geht von mehr Opfern und Tätern aus

Die Kommission erklärte am Mittwoch in Trier, sie werde auch noch die Amtszeit Spitals von 1981 bis 2001 näher untersuchen. Bis Januar 2024 sollen Ergebnisse in Form eines dritten Berichtes vorliegen. Schon am Mittwoch verriet der Trierer Historiker Lutz Raphael, der auch zur Kommission gehört, dem SWR im Interview erste Erkenntnisse: "Die gute Nachricht ist, dass die Zahl der Täter für diese immerhin ja auch 20 Jahre wohl im Vergleich zur Zeit von Bernhard Stein zurückgegangen ist."Mit den Fehlern dieses früheren Trierer Bischofs hatte sich die Kommission in einem ersten Zwischenbericht befasst, der nachwies, dass Stein Täter geschützt und Taten vertuscht hatte. Doch auch in der Ära Spital fanden die Wissenschaftler laut Raphael Hinweise auf "Intensivtäter, die weiter ihre Schrecken verbreitet haben".Die Kommission hat die Zahl der Opfer und der Taten im Bistum am Mittwoch daher noch einmal nach oben korrigiert. Die Fachleute gehen nun von 579 Betroffenen und 227 Beschuldigten aus. Im ersten Zwischenbericht war noch von 513 Opfern und 195 Tätern die Rede. "Bericht um Bericht steigen die Opferzahlen", kommentierte Hermann Schell von MissBit am Mittwoch. Er vermutet, dass die wahre Zahl der Übergriffe in die Tausende geht.

Fachleute kritisieren Bürokratie und mangelnde Aktenführung

Seit Sommer 2021 untersuchen die Fachleute die Fälle sexuellen Missbrauchs und sexualisierter Gewalt in der Diözese und den Umgang des Bistums mit Tätern und Betroffenen. Und auch an diesem Mittwoch stellten sie den Verantwortlichen ein durchwachsenes Zeugnis aus. So empfehlen die Experten dem Bistum etwa, gegenüber den Missbrauchsopfern "weniger bürokratisch" aufzutreten.

Ferner kritisierte die Kommission das Bistum für mutmaßliche Versäumnisse bei der Aktenführung zu Missbrauchsfällen. Diese erschwerten die Arbeit, sagte der Historiker Lutz Raphael dem SWR: "Unsere Empfehlung ist wirklich, dass das Prinzip der Aktenführung mit Verweisen stattfindet, sodass auch die entsprechenden Verantwortlichen wirklich rasch handeln können, wenn sie mit Vorwürfen, konfrontiert werden." Dies sei in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen, sodass sich nur schwer rekonstruieren lasse, wer etwas gewusst hat und wer nicht.Was der frühere Bischof Hermann-Josef Spital über die Missbrauchsfälle gewusst hat und was nicht - das soll die Öffentlichkeit dann im dritten Bericht der Komission im Frühjahr erfahren. (tagesschau.de)

Dienstag, 14. November 2023

Bistum Trier: Jahresbericht 2022


Statistik Intervention 2022:
  • im Jahr 2022 haben sich 29 Menschen, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, erstmals beim Bistum Trier gemeldet
  • 2022 beschäftigte sich der Krisenstab mit 16 Beschuldigungen zu Missbrauch durch lebende Kleriker oder Angestellte in den Pfarreien und Einrichtungen des Bistums.
  • Bei den Beschuldigten handelt es sich um 12 Pfarrer (davon 10 im Ruhestand), zwei Laien und zwei Ordenspriester, die Aufgaben in der Pastoral im Bistum Trier wahrnehmen. 
  • Drei Beschuldigungen bezogen sich auf aktuelle Vorfälle, die anderen auf länger zurückliegende Delikte.
  • In sieben Fällen wurden erstmalig gegen den Beschuldigten Vorwürfe erhoben.
  • Fünf der Beschuldigungen wiesen keinen Bezug zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auf.
  • Zwei wurden als nicht plausibel bewertet.
  • Drei Beschuldigungen bezogen sich auf Taten gegen Erwachsene.
  • Sechs Fälle wurden an die Staatsanwaltschaft gegeben, wobei 2022 drei der Verfahren von dieser bereits wieder eingestellt wurden.
  • Es wurden sechs kirchenrechtliche Voruntersuchungen eröffnet, hinzukamen in 2022 zwei weitere laufende Voruntersuchungen, die bereits in 2021 eröffnet worden waren. 
  • Zwei Voruntersuchungen wurden in 2022 abgeschlossen.
  • Es gab vier laufende kirchliche Strafverfahren, von denen 2022 zwei mit der strafweisen Entlassung aus dem Priesterstand abgeschlossen wurden.
  • Von der Schwere her waren Beschuldigungen, die sich auf die jüngere Zeit bezogen, eher im Bereich Grenzverletzungen und Belästigung angesiedelt. Sie basierten auf frühzeitigen und schnellen Mitteilungen. Bei zurückliegenden Delikten ging es vermehrt um schwere Formen sexualisierter Gewalt.
  • Es wurden acht Erst-Anträge auf Anerkennung des Leids eingereicht.

Anträge zu Anerkennung des Leids
  • 2022 wurden 13 (Erst-) Anträge aufgrund sexualisierter Gewalt durch verstorbene Kleriker oder Angestellte in den Pfarreien und Einrichtungen des Bistums eingereicht. 
  • Bei den Beschuldigten handelt es sich um 10 Pfarrer, zwei Laien und einen Diakon im Zivilberuf
  • In sechs Fällen wurden erstmalig gegen den Beschuldigten Vorwürfe erhoben.
  • Bis auf eine (aus 2006) beziehen sich alle Beschuldigungen auf Delikte, die im letzten Jahrhundert verübt wurden.
  • Alle Beschuldigten sind verstorben.
  • Zwei Beschuldigungen beziehen sich auf Taten gegenüber Erwachsenen
  • Im Jahr 2022 wurden Leistungen in Anerkennung des Leids für 51 Anträge in Höhe von insgesamt 789.000 € ausgezahlt (Erst- und Zweitanträge). 
  • Zwei der Anträge wurden durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen als sogenannte Härtefälle gewertet (größer/gleich 50.000 €).

Zwischen 2010 und 2022 haben sich 243 Betroffene sexuellen Missbrauchs durch Angehörige der katholischen Kirche beim Bistum Trier gemeldet. 


Quelle: Jahresbericht  PIA (Prävention, Intervention, Aufarbeitung) 2022

Bistum Trier/Jahresbericht 2022: Bischof Ackermann weist in seinem Vorwort ausdrücklich darauf hin, dass Zusammenstellung "nicht ausreichend genug das wiedergibt, was Betroffene sich wünschen"

(Vlnr.) Angela Dieterich, Dr. Andreas Zimmer, Dr. Katharina Rauchenecker, Bischof Dr. Stephan Ackermann, Judith Rupp Quelle: Bistum Trier 



Vorwort von Bischof Stephan Ackermann


Wenn sexualisierte Gewalt von Klerikern oder anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirche im Bistum Trier verübt wird, dann ist das eine Gewalttat gegen Anvertraute und eine Verletzung des Vertrauens, das in sie gesetzt wird. Die Verantwortlichen im Bistum Trier stehen in der Pflicht, zum Schutz der Kinder, Jugendlichen und Schutzbefohlenen auch dann gegen solches Verhalten vorzugehen, wenn es unterhalb der Straffälligkeit bleibt. Wie das Bistum Trier mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker und andere Mitarbeitende im Bereich von Kirche und Caritas umgeht, beschäftigt viele Katholikinnen und Katholiken und andere Menschen in unserem Bistum. Hauptamtliche, aber auch neben- und ehrenamtlich Tätige werden immer wieder auf diese Sachverhalte angesprochen.

Hier erfahren Sie mehr über die aktuell geltenden Vorgehensweisen der Verantwortlichen des Bistums. Das Vorgehen wird kontinuierlich überprüft und verbessert.

Wichtig ist zunächst, dass alle Bereiche des kirchlichen Lebens in unserem Bistum im Blick sind. Das sind neben den Pfarreien mit ihren vielfältigen Angeboten z. B. auch die Schulen und Kindertagesstätten in kirchlicher Trägerschaft oder die zahlreichen caritativen Dienste und Einrichtungen im Bereich der Jugendhilfe, des Gesundheitswesens und der Altenhilfe, die von katholischen Einrichtungsträgern im Bistum verantwortet werden.

Die hier aufgelisteten „Häufig gestellten Fragen“ (FAQ) sollen Ihnen helfen, sich einen Eindruck zu verschaffen. Wenn Ihnen beim Lesen Dinge, Ungereimtheiten oder Aspekte auffallen oder Sie konkrete Fragestellungen oder Ideen zur Thematik haben, dann melden Sie uns das doch bitte zurück.

Diese ausdrückliche Bitte richte ich besonders auch an die Menschen, die von Missbrauch betroffen waren und sind und für die diese Zusammenstellung sicherlich nicht ausreichend genug das wiedergibt, was sie sich wünschen. Melden Sie Ihre Erwartungen, Enttäuschungen und Hinweise bitte auch zurück.

Dr. Stephan Ackermann
Bischof von Trier

Bistum Trier legt erstmals Jahresbericht zum Thema Missbrauch vor

Erstmals legt das Bistum Trier am Dienstag einen Rechenschaftsbericht zum Thema Missbrauch und zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt vor. 

Es geht um Fälle aus dem Jahr 2022.

In dem Rechenschaftsbericht soll es darum gehen, was das Bistum unternommen hat, um Kinder besser vor Gewalt und Missbrauch durch Priester zu schützen. 

Bischof Stephan Ackermann will auch erklären, wie das Bistum Trier bei Fällen von sexuellem Missbrauch eingeschritten ist und was sich im Jahr 2022 in Sachen Aufarbeitung getan hat.

Bischof Ackermann will künftig jährlich einen Rechenschaftsbericht zum Thema Missbrauch vorlegen. Dies kündigte er im Januar an - nur wenige Wochen, nachdem eine Studie zu Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs durch Priester in der Amtszeit des verstorbenen Trierer Bischofs Bernhard Stein veröffentlicht wurde. Stein war von 1967 bis 1981 Bischof von Trier. ("tagesschau.de")

Dienstag, 7. November 2023

Bistum Trier / Vallendar: Wie viel Schmerzensgeld erhalten Missbrauchsopfer? - Eine Schülerin bricht ihr Schweigen

Eine ehemalige Schülerin der Schönstätter Marienschule in Vallendar (Kreis Mayen-Koblenz), das zum Bistum Trier gehört, bricht ihr Schweigen. Sie fordert eine finanzielle Entschädigung von dem für die Zahlung zuständigen Säkularinstitut Schönstätter Marienschwestern.

Ihren Fall schildert sie so: „Der Missbrauch durch den Lehrer geschah ab der 7. Klasse bis zur 9. Klasse, wenn ich mich nicht den ganzen Tag auf dem Klo oder hinter den Vorhängen der Aula versteckt habe, wöchentlich, teils auch mehrfach die Woche. Ich wurde mehrfach vergewaltigt. Mit 12 ! Die 8. Klasse habe ich zwei Mal gemacht. Das muss also so Anfang der 1980er Jahre gewesen sein. Ich habe dann in der 9. Klasse kein Wort mehr gesprochen, bin zum zweiten Mal sitzen geblieben und konnte die Schule verlassen…Das war meine Rettung. Anvertraut hab ich mich niemanden. Ich hatte panische Angst, und hab auch gedacht: Ist vielleicht meine Schuld. Und dass mir keiner glauben wird. Das Thema Missbrauch wurde in der Schule komplett unter den Teppich gekehrt.“

Die Folgen: „Ich war seit Teenagertagen richtig depressiv, immer wieder mal schwere, dann bessere Phasen. Nach dem Abi bin ich mit dem Auto meiner Mutter gegen einen Baum gefahren. Ich wollte einfach nur „weg“ sein. Parallel hab ich funktioniert, Schule, Studium, Ehe, Kinder. Ganz schlimm wurde das so etwa ab 2010, mit Panikattacken, lebensmüden Gedanken, schwerer Depression, dissoziativen Zuständen ..

Die Konsequenz: „2014 war ich das erste Mal in psychosomatischer Reha. Ich wusste einfach nicht, was mit mir los ist. Das Thema Schönstatt hab ich weit verdrängt. Seit 2014 war ich jetzt zehn Mal in der Klinik. Von 2019 bis 2022 allein insgesamt 27 Monate. Der Oberarzt der Klinik ist seither mein ambulanter Therapeut. Ich bin zu 90 Prozent schwerbehindert, nur noch begrenzt dienstfähig.“

Die ehemalige Schülerin entschließt sich, Schadenersatz einzufordern, damit sie ihre Therapiekosten decken kann, die ihr als Beamtin nur zum Teil erstattet werden. Ambulante Therapiestunden seien begrenzt, reichten aber für Traumatisierte oft nicht aus. Um ihren Anspruch durchzusetzen, müssen sich Missbrauchsopfer an die Unabhängige Kommission (UKA) mit Sitz in Bonn wenden. Diese nimmt die Anträge der Betroffenen über die Ansprechperson der Diözese oder der Ordensgemeinschaft entgegen. Der Psychologe rät ihr jedoch von diesem Gespräch ab. Er befürchtet eine Retraumatisierung. Stattdessen reicht sie ein Schreiben ihres Arztes ein. Schließlich legt die Bonner Kommission die Entschädigung auf 10.000 Euro fest. Die Frau legt Widerspruch ein. Die Summe spiegele nicht annähernd jenes Leid wieder, das ihr widerfahren sei.

Dr. Stefan Vesper unterstützt als Koordinator die Geschäftsstelle der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen. Er teilt dem Trierischen Volksfreund gegenüber zunächst mit, dass es stets um eine Einzelfallprüfung gehe. „Denn nur so kann man dem geschehenen Leid individuell gerecht werden.“ Pauschale Kategorien gebe es nicht.

Vesper: „Bei der Festsetzung der Leistungshöhen vergleicht die UKA das Geschehene mit Schadensersatzleistungen im weltlichen Bereich und ordnet die Taten, was die Höhe der Anerkennungsleistung angeht, am oberen Rand ein – wie es die Verfahrensordnung auch vorschreibt.“ Darüber hinaus spiele Dauer und Schwere der Misshandlung eine maßgebliche Rolle. Vesper schreibt: „Es geht wie gesagt um eine konkrete Einzelfallentscheidung, die gerade die Schwere der Tat und auch die langfristigen Folgen berücksichtigt. Hier ist natürlich auch das Alter der Betroffenen zum Zeitpunkt der Tat ein wichtiges Kriterium.“ Kern sei im gesamten Prozess der Einzelfallentscheidung das, was im Antrag geschildert sei. Aus dem Antrag entnehme die UKA bei ihrer Entscheidung alle Fakten und lege dann, im interdisziplinären Gespräch ihrer juristisch, ärztlich, psychotherapeutisch, traumatologisch kompetenten Mitglieder, die Höhe der Anerkennungsleistung fest.

Schlussendlich beantwortet Dr. Vesper die entscheidende Frage nach der Festlegung der Zahlungen so: „Die UKA berücksichtigt alles, was in der Verfahrensordnung vorgegeben ist. Wichtig ist aber auch im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit: Im staatlichen Verfahren müssen die Betroffenen die Taten beweisen. Im kirchlichen System genügt es, dass die Schilderungen plausibel sind. Das ist ein wesentlicher Unterschied.“ Die Entscheidung, ob etwas plausibel sei, werde vor Ort und durch die unabhängigen Ansprechpartner/innen gefällt.

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