Man stelle sich vor, der Chef einer Filiale eines großen Konzerns steigt in seine Limousine, um sich von seinem Chaffeur von A nach B fahren zu lassen. Der Chauffeur ist alkoholabhängig. Der Chef weiß über die Krankheit seines Chauffeurs Bescheid. Er wurde auch darüber informiert, dass sein Chauffeur bereits mehrere Punkte in Flensburg hat. Auf dem Weg zum Zielort geschieht ein schrecklicher Unfall: Der Chauffeur steuert den Wagen in eine Gruppe von Kindern. Es bietet sich ein Bild des Grauens: Einige Kinder wurden tödlich verletzt. Andere schweben in Lebensgefahr. Viele von ihnen sind schwer verletzt.
Der Chef und sein Chauffeur steigen unverletzt aus dem Wagen. Sie überlegen, was sie nun unternehmen. Sie beraten darüber, ob sie die Flucht ergreifen oder doch lieber die Polizei verständigen sollen. Aber was wollen sie der Polizei sagen, und wie können sie sich am besten herausreden? Sie entscheiden sich dafür, dass sie sich beide vorab detailliert absprechen müssen, falls die Polizei eintreffe und sie zu dem Unfallhergang befrage. Schließlich beginnen sie damit, ihre Aussagen abzusprechen. Hinweise, die auf den Alkoholkonsum des Chauffeurs hinweisen (wie z.B. der Flachmann in der Jackentasche) müssen schnellstens entsorgt werden. Der Chef reicht seinem Chauffeur sogar Pfefferminzbonbons - damit nicht jeder gleich merken soll, dass der Chauffeur den Wagen alkoholisiert fuhr. Sie treffen keinerlei Vorkehrungen, die Unfallstelle abzusichern.
Nach und nach treffen die ersten Personen am Wagen des Chefs ein. Der Chef und sein Chauffeur werden von den Hinzukommenden umringt. Die ersten Stimmen werden laut: Der eine schimpft über den Kapitalismus, der es dem Chef überhaupt erlaube, sich chauffieren zu lassen. Ein anderer, der sich als Experte ausgibt, bemängelt, man müsse das Frühwarnsystem in den Autos verbessern, dann hätte der Unfall vermieden werden können. Das habe er schon immer gesagt. Eine weitere Stimme ertönt: "Ich kann euch nur raten, von eurem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen! Grundsätzlich! Ich spreche da aus Erfahrung!". Der nächste schimpft über mangelnde Geschwindigkeitskontrollen, die Straße sei schließlich wegen ihrer Unfallhäufigkeit bekannt. Ein anderer weist daraufhin, dass seine Gartenhecke bei dem Unfall beschädigt worden sei. Ein weiterer Zwischenruf ertönt:"Lasst uns Gott danken und lobpreisen, dass dem Chef und seinem Chauffeur nichts passiert ist!" Ein hinzukommender Versicherungsvertreter wittert sein Geschäft und weist alle inzwischen Anwesenden auf die Wichtigkeit einer Police hin. Und eine Frau schüttelt nur noch den Kopf und sagt: "Von wegen, Frau am Steuer ...". Inzwischen versammeln sich auch immer mehr "selbsternannte Experten" unter den Anwesenden: Lackschädenbeseitiger und Autokarosseriebauer bieten dem Chef umgehend Hilfe an. Ein Autowerkstattbesitzer legt dem Chef einen sofortigen Austausch der Windschutzscheibe nahe, die durch den Aufprall der Kinderkörper zerstört wurde. Ein Experte für Straßenbau, begutachtet die Leitplanke, die bei dem Unfall beschädigt wurde, und verspricht, sich persönlich darum "zu kümmern". Selbst ein Anwalt für Verkehrsrecht steht plötzlich neben dem Chef und möchte einen Termin vereinbaren. Es kommen auch andere Filialleiter herbeigeeilt, nachdem sie von dem Unfall erfahren haben. Schaut man genauer hin, kann man feststellen, dass auch ihre Limousinen Unfallschäden aufweisen. Sie beteuern aber, dass die Kratzer und Beulen von dem Vorbesitzer stammen. Sie selbst seien für diese Schäden nicht verantwortlich. Und so entwickeln sich endlose Gespräche, Dialoge, Empfehlungen, aber auch Zankereien untereinander, die schier endlos erscheinen, je mehr Personen sich einfinden. - Der Chef und sein Chauffeur mittendrin. Sie bereden, beraten und diskutieren die ganze Nacht hindurch. Selbst am nächsten Morgen stehen sie noch an dem verunfallten Wagen und beraten ihr weiteres Vorgehen ...
... während die Unfallopfer allein gelassen und verletzt am Straßenrand liegen und um ihr Überleben kämpfen.
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