Mittwoch, 25. April 2018

Bistum Trier: absurde Prävention auf katholisch: Sexueller Missbrauch als Spielethema


"In dem Spiel geht es unter anderem darum zu erkennen, ob eine Straftat vorliegt.
 Die Spieler können aber auch in ihren Körper hineinspüren." 


Ein Spielbrett, Figuren, ein Würfel, fünf Stapel Aktionskarten. Ein Spiel für Leute von 16 (!) - 99. -
Bischof Ackermann erprobt das neue Präventionsspiel gegen sexuellen Missbrauch. Das neue Spiel soll dazu beitragen, "Gefahren aufzudecken und Gewalt zu unterbinden". Die Herausforderung sei gewesen, das schwierige Thema in ein Spiel zu packen. Denn Missbrauch und Spiel sei ein Widerspruch an sich. "Spielerisch werden dabei Informationen weitergegeben, die auch während der Präventionsschulung vermittelt werden". Laut Bischof Ackermann selbst sei immer noch zu spüren, dass es Abwehrmechanismen gegen Präventionsmaßnahmen geben würde.

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Kommentar: Ein Trauerspiel

Acht Jahre lang konnte ein Priester im Bistum Trier Messen zelebrieren und intensiv mit Kindern und Jugendlichen zusammen arbeiten, ohne dass die ihm gegenüber geäußerten Vorwürfe sexuellen Missbrauchs verfolgt und aufgeklärt wurden - obwohl dieser Fall bereits aktenkundig war.  Erst, als das Bistum Trier dem Priester eine eigene Pfarrverwaltung übertragen will und sich an das Erzbistum Köln wendet, stellt man dort fest, was man  jahrelang übersehen hat oder wollte: Es liegen Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegenüber dem Priester vor und ihm wurden bereits Auflagen erteilt. Umgehend wird ein Zelebrationsverbot ausgesprochen. Erwartungsgemäß - wie auch erfahrungsgemäß  - lancierte das Bistum Trier - gleichzeitig  mit der dpa-Meldung über den verheerenden Faux-Pas innerhalb von nur wenigen Stunden auch wieder eine vermeintliche "Erfolgsmeldung":   Bischof Ackermann  stellt ein Brettspiel vor, welches er entwickeln ließ. Kernthema des Spiels: Sexueller Missbrauch.

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, als ich diesen Artikel las. Wie verzweifelt muss der Missbrauchsbeauftragte, Bischof Ackermann, sein, um mit solch einer "Erfolgsmeldung" von den aktuellen Schlagzeilen ablenken zu wollen.  - Ich habe mir lange überlegt, ob ich den entsprechenden Artikel tatsächlich veröffentlichen oder ignorieren soll. Ich möchte schließlich keine Werbung für dieses Spiel machen, sondern erneut an die typische Vorgehensweise und den Umgang des Missbrauchsbeauftragten mit der Thematik "sexueller Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche" erinnern. Dieses Spiel ist dazu sehr aussagekräftig und trifft dabei den Nagel auf den Kopf. - In vielerlei Hinsicht.

Als Zielgruppe wird "Leute im Alter von 16-99" angegeben.  Ein Spiel für einen geselligen  Familienabend kann es somit nicht sein.  Ich stelle mir vor, wie die Priesterseminaristen in St. Lambert in ihrer Stammkneipe das Spiel spielen. - Keine gute Vorstellung. Kindergärtnerinnen und Erzieherinnen? Wie viele von ihnen haben selbst Traumata erlebt und setzen sich der Gefahr der Retraumatisierung aus? Ein paar Flashbacks hier? Eine paar Dissoziationen dort! Bitte, gerne: all inclusive.  - Ganz erschreckend finde ich die Aussage, dass "die Spieler dabei in ihre Körper hineinfühlen können".  Wie makaber dies klingt, wenn man bedenkt, dass auch Täter und Opfer in die Runde dieses Spiels eingeladen werden. Was empfinden sie, wenn sie auf den Aktionskarten grenzüberschreitenden Szenen sehen oder lesen?   Wird ein Täter dann einen Schweißausbruch bekommen, zum nächsten Bier oder Messwein greifen, um sich den Erinnerungen zu entziehen, wenn er mit ihnen konfrontiert wird und weiter seine Mitspieler anlächeln?  Wie wird ein Opfer reagieren, wenn diese Szenen zur Sprache kommen? Und dies alles in einem Kreis, der sich zum "Spielen" getroffen hat? Habe ich einen Täter überführt, wenn ein Mitspieler plötzlich während des Spiels den Raum verlässt? Kann dieses Spiel auch dazu dienen, jemanden zu stimulieren? Handelt es sich vielleicht dabei um ein Geschicklichkeitsspiel, wie man seine körperliche Reaktionen und Emotionen am besten verbirgt? Welche Auswirkungen kann dieses "Spiel" auf Einzelne haben? Welchen pädagogischen Einfluss soll dieses Spiel in sich verbergen? - Nein, ich finde keine positiven Antworten. 

Wird es bald auch  ein Spiel zur Thematik "Menschen mit Behinderung" geben? Nach dem Motto: Wann erkenne ich, ob eine Behinderung vorliegt?  Vielleicht ein "Syrien-Spiel"? Motto: Wie erkenne ich, wer von wem angeschossen wurde und wer welchen Verletzungen erlag? Vielleicht auch ein "Jesus-stirbt-am-Kreuz-Spiel"? Motto: Treffe die richtigen Nägel, mit denen Jesus ans Kreuz geschlagen wurde. Gibt es für Priester auch ein "Kinder-Roulette?" Wer das nächste Opfer ist? Oder welcher Tätername vom Bistum Trier demnächst veröffentlicht wird? Wer wird fliegen? Wer wird geschützt? -   Zynismus aus. 

Ich frage mich trotzdem weiter,  warum das Spiel erst ab 16 spielbar ist. - Warum sollte nicht ein 6jähriges Kind mit dieser Thematik konfrontiert werden?  In einer geselligen "Spielerunde," wohlgemerkt.  Es entspräche doch schließlich der Realität. Über wie viele erlebte  Grenzüberschreitungen, die sie selbst erfahren mussten,  würden die Kinder berichten? Die Wahrheit würde vermutlich schmerzen.  Wer gewinnt, könnte übrigens auch selbst ein Täter sein. Schließlich hat er mitunter am meisten Wissen über das, was er darf - und was nicht. 

Nein, dieses "Spiel" ist weder etwas für Kinder,  noch für Jugendliche oder Erwachsene. Egal, unter welchem pädagogischen Aspekt der Spielewissenschaft dieses Spiel auch betrachtet wird: Es birgt mehr Widersprüche in sich als das es Ziele einer ernsthaften Prävention verfolgt. Und wenn es hierbei tatsächlich um ein "Lernspiel" handeln soll, dann wäre das Alter enorm hoch angesetzt. Aber vielleicht sollte diese Angabe nur ein Scherz sein. Ein übler Scherz: Wie dieses Spiel auch. 

Ein Spiel - welches jetzt schon verloren wurde.

Sexuellen Missbrauch oder auch nur eines seiner Attribute  mit einem Spiel in Verbindung zu bringen, nein, das geht nicht. Hier wurde ein weiteres Tabu gebrochen.

"Ich sehe was, was du nicht siehst" - ein Titel für eine beliebtes Ratespiel für Kleinkinder, bei dem das Kind einen Gegenstand erraten muss. Zu jeder Zeit und an jedem Ort einsetzbar.  Verlockend  - im wahrsten Sinne des Wortes - für jedes Kind.  - Ich selbst habe das Spiel übrigens auch spielen müssen - wie viele von uns.   Auch im Kindergarten. Mit dem Priester.  Doch ich zähle mich nicht zu den Gewinnern, bei dem, was ich dort sehen musste. "Ich sehe nichts, was du nicht siehst"  wäre - was das Bistum Trier betrifft - wohl ein zutreffender Name gewesen. 

"Laut Bischof Ackermann selbst sei immer noch zu spüren, dass es Abwehrmechanismen gegen Präventionsmaßnahmen geben würde." heißt es im o.a. Artikel.  Er sollte sich fragen, warum dem so ist. Er sollte offenlegen und sich eingestehen,  dass  nicht alle Priester im Bistum die Verpflichtungen seines Präventionsprogramms erfüllt haben. Und: dass es offensichtlich noch große Lücken gibt, die es zu schließen gilt. Sonst hätte es wohl nicht soweit kommen können, dass ein Priester aus dem Nachbarbistum acht Jahre lang Messen zelebrieren sowie intensiven Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben konnte, obwohl ihm sexueller Missbrauch vorgeworfen wird. Und dies im Jahr 2018. 


ca

Quelle: bistum-trier.de