Mit Verlaub, Herr Bischof!
Wer könnte das Versagen der katholischen Kirche hinsichtlich der Aufklärung des sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester besser dokumentieren und repräsentieren als Sie – in Persona?
Haben Sie einmal überlegt, welchen Anteil Sie selbst zu dem Ansehensverlust und dem Vertrauensverlust der katholischen Kirche beigetragen haben? Jede Menge, Herr Bischof – jede Menge.
Was Sie versprachen
Als der sexuelle Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche öffentlich wurde, beteuerten Sie "Transparenz statt weiterer Geheimhaltung“. Sie versprachen Aufklärung und Aufarbeitung. Sie kündigten eine „Null-Toleranz-Linie gegenüber den Verbrechen“ an und forderten: „Eine Verharmlosung oder ein Vertuschen darf es beim Thema Kindesmissbrauch nicht geben“. Weiterhin erklärten Sie: „Die Opfer müssten im Mittelpunkt stehen, ihnen müsse geholfen werden.“. "Den Opfern müsse Gerechtigkeit widerfahren.", "Wir Bischöfe sehen uns in die Verantwortung gerufen".
Ihre Priorität - damals wie heute
Doch schon kurz darauf wurde klar, worum es Ihnen in erster Linie ging: „Der Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche ist verheerend für das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Kirche.“ (Zitat 2012)
Wunschdenken - fern jeglicher Realität
Die deutschen Bischöfe hatten Sie Anfang 2010 mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals betraut. 2013 (!), also kaum 3 Jahre, nachdem die ersten Fälle in die Öffentlichkeit gelangten, sagten Sie, Sie sähen "Ihre Aufgaben nahezu als abgearbeitet" an. Es gebe schließlich eine Telefon-Hotline für Opfer, Entschädigungszahlungen, ein umfassendes Präventionskonzept und überarbeitete Leitlinien. Nun stünde lediglich noch die wissenschaftliche Aufarbeitung des Skandals aus. - Doch es sollte anders kommen.
Mit Verlaub, Herr Bischof!
Sie haben sich in den vergangenen Jahren viel geleistet: Sie haben straffällig gewordene Priester weiterversetzt und dadurch weitere Kinder in höchste Gefahr gebracht. Sie haben moralische wie auch pastorale Verfehlungen begangen, von den Machtstrukturen selbst profitiert und sie weiter begünstigt und eine Ahnung der Verbrechen verhindert. Bis heute steht der "Schutz der Institution" über den Rechten und Bedürfnissen der Betroffenen. Was Sie taten? Sie räumten vereinzelt "Fehler" und "Irrtümer" ein und zuckten nur allzu oft mit den Schultern - wohlgemerkt erst dann, als Betroffene ihr Schweigen brachen, den Tätern und Tatorten einen Namen gaben und die Medien über die Fälle berichteten. - Aber auch nur dann. Und zur Erinnerung: Es waren nicht Sie, der das Versagen an die Öffentlichkeit brachte, sondern wir. Während wir (Recherchenetzwerk Adams/Schell/Schnitzler) im Bistum Trier über 30 katholische Priester ausfindig machten, die mit Vorwürfen sexuellen Missbrauchs konfrontiert wurden und teilweise noch im Einsatz waren und diese Fakten auf unterschiedliche Weise in den Medien veröffentlichten, re-agierten Sie lediglich auf den öffentlichen Druck der Medien. Einzelne Bischöfe ließen gar verlauten, es handele sich um eine Medienkampagne, die dem Ansehen und Ruf der Kirche schaden wollen.
Die Inszenierung / Nebelkerzen
Statt eine ehrliche Aufklärung zu ermöglichen und beim Apostolischen Stuhl den Dispens von der Pflicht zur Geheimarchivierung einzuholen und die Akten von Anfang an freizugeben, setzten sie auf Ihre fragwürdige Prävention, die Sie als "Meilenstein" anpriesen und auf die Sie fast in jedem Interview auswichen. So wurde z.B. versprochen, dass alle Priester und Verantwortliche an sogenannten "Präventionsschulungen" teilnehmen würden. Doch entgegen Ihres Plans gab es nachweislich Priester, die sich weigerten, an der Schulung teilzunehmen. Dem standen Sie hilflos gegenüber. Es wurde nur nicht thematisiert, sondern ignoriert. - Einige Priester verweigerten die Schulung nicht ohne Grund, wie wir heute wissen. Ganz zu schweigen von den "Leidlinien", ein von der Kirche selbst entwickelte Regelwerk, welches eine große Benachteiligung für die Opfer und die Behinderung von Polizei und Justiz manifestierte. Und ganz zu schweigen von der Schande der Anerkennungszahlungen.
Und immer, wenn man dachte, "Schlimmer geht es nicht mehr", sorgten Sie mit Ihrem Gebaren für den nächsten Skandal:
In diesen Tagen haben Sie sich dazu entschieden, die Einrede der Verjährung geltend zu machen und dadurch einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Betroffene, die als Kind von katholischen Priestern sexuell schwer missbraucht wurden und heute Anspruch auf Schadensersatz stellen, begegnen Sie mit der Einrede der Verjährung. - Ein legales Mittel - auf welches Sie allerdings hätten verzichten können - wenn Sie sich denn an ihre eigenen Worte erinnert hätten, dass den Betroffenen von damals heute geholfen werden müsse. Und ein Mittel, auf dass Sie hätten verzichten können - wenn Sie es denn gewollt hätten.
Haben Sie auch nur eine vage Vorstellung davon, welches gesellschaftspolitisch verheerende Signal Sie damit senden, indem Sie auf die Einrede der Verjährung bestehen? Haben Sie auch nur eine vage Vorstellung davon, dass es nicht nur uns Betroffene aus den vergangenen Jahrzehnten betrifft, sondern auch die Kinder von heute und morgen, die darunter leiden werden?
Während Sie für die Verjährung der Taten plädieren und sich die Einrede der Verjährung zunutze machen, leiden die Opfer lebenslänglich.
Und lag bisher die Vermutung darin, dass die Verjährung von Straftaten nur dem Täter zugunsten kommt, eröffnet sich durch Ihre Entscheidung übrigens ein weiterer Diskurs:
Profitieren eigentlich auch die Kirche resp. Sie, Herr Ackermann, selbst von der Verjährung? – Aber selbstverständlich! Sogar in zweierlei Hinsicht: Erstens: Das Bistum Trier muss nicht befürchten, vor Gericht Akten offenzulegen zu müssen. Zweitens: Die Verantwortlichen brauchen nicht zu befürchten, dass weiteres Versagen an das Tageslicht kommt und bleiben weiterhin verschont.
Mit – im wahrsten Sinne – aller Macht, sind Sie es doch, der versucht hat, die "Rest-Glaubwürdigkeit" aufrechtzuerhalten. Der einzige Unterschied zu Ihren Vor-Bischöfen besteht lediglich darin, dass die Bandagen härter geworden sind, mit denen Sie kämpfen und versuchen, zu vertuschen (z.B. die umfangreiche Beweismittelvernichtung in der Causa Dillinger).
Der Trierer Dom als Mahnmal für sexuellen Missbrauch durch katholische Priester
Im April 2009, auf einer Pressekonferenz aus Anlass Ihrer Ernennung zum Bischof von Trier, sagten Sie: "In den vergangenen Tagen habe ich vor meinem Haus ein wenig die Frühlingssonne genossen; da fiel mein Blick auf den Dom, den man ja von meinem Garten aus mit seiner ganzen nördlichen Breitseite sehen kann. Da schoss mir durch den Kopf: »Da schaust Du Deine künftige Kathedrale an - und die bleibt völlig unbeeindruckt. Die steht seelenruhig da wie gestern und vorgestern und wie schon durch Jahrhunderte hindurch.« Auch das hat sehr beruhigend auf mich gewirkt." -
Mag die nördliche Breitseite "Ihrer" Kathedrale noch so "seelenruhig" auf Sie gewirkt haben oder wirken: Aber der Dom besteht nicht nur aus einer "beruhigend wirkenden" Nordseite. Und vielleicht gehörte genau das auch zu Ihrem Versäumnis: Es bedarf verschiedener Perspektiven, um die Kirche als Ganzes wahrzunehmen. Und ebenso hätte es vieler Perspektiven bedurft, den Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche im Bistum Trier auszuleuchten und einen Blick in das Innere der Kirche zu werfen. Dass es sich ausgerechnet bei dem Trierer Dom um das älteste Bischofskirche deutschlandweit handelt, steht für unsereiner sinnbildlich für die jahrhundertelange Vertuschung von begangenen Straftaten in den eigenen Reihen. - Von was das Mauerwerk Ihrer Nordseite alles Zeuge geworden ist und welche Geheimnisse es in sich verbirgt, mag ich mir übrigens gar nicht vorstellen.
Der Trierer Dom steht inzwischen symbolisch als ein mahnendes Denkmal für sexuellen Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche im Bistum Trier. Als Mahnmal für die an Kindern begangenen Verbrechen, aber auch für die Geheimhaltung, die Vertuschung und für Ihren unsäglichen Umgang mit den Betroffenen. - Zudem für die Aufklärung, die es nie geben wird.
Die Rauchschwaden über dem Dom lösen sich auf
Wurde bisher das Bistum Trier bzw. der Trierer Dom bisher allzu oft mit Nebel oder dunklen Rauchschwaden dargestellt, wenn es um sexuellen Missbrauch im Bistum Trier ging, der sinnbildlich für die Vertuschung stand, so scheint der Rauch sich inzwischen aufgelöst zu haben und die Sicht ist wieder klar:
Was jetzt allerdings deutlich sichtbar wird: Ein Trümmerfeld.
Der Sprengstoff mit seiner hochexplosiven Wirkung mag schon seit Jahrzehnten im Bistum Trier gelagert haben, doch anstatt die Gefahr zu erkennen und die Sprengkörper zu entschärfen, haben Sie sich für das Zündeln entschieden.
Sie haben das Bistum Trier zu einem Trümmerfeld gemacht, Herr Ackermann.
Ich wüsste nicht, mit welchen Attributen Sie noch irgendeiner Ihrer Gebaren rechtfertigen wollten.
Ihre "Aufarbeitung" ist gescheitert.
Sie hätten das tun können, was andere versäumt haben. - Aber Sie taten es nicht.
Stattdessen machten Sie sich mitschuldig.
Wagen Sie es daher nicht noch einmal, unsereiner gegenüber von "Verantwortung" zu reden!
Möge die Scham endlich die Seiten wechseln.
Claudia Adams