Mittwoch, 20. Februar 2013

Podiumsdiskussion in Trier: Warum Priester zu Tätern werden

Sexuelle Abstinenz und Einsamkeit: Ob und wie Organisationsformen in der katholischen Amtskirche sexuellen Missbrauch begünstigen, darum ging es bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der Bischofskonferenz in Trier.


Rund 70 Zuhörer waren zu der gut zweistündigen Veranstaltung ins bischöfliche Angela-Merici-Gymnasium gekommen. Auf dem Podium: Norbert Lüdecke, Professor für Kirchenrecht in Bonn. Professor Rainer Banse, Leiter der Abteilung Sozial- und Rechtspsychologie an der Uni Bonn, und Christian Herwartz, Jesuitenpater aus Berlin.

"Was macht Priester zu Tätern?", fragte Christian Otterbach vom Saarländischen Rundfunk, der kundig und souverän die Diskussion moderierte. "Die bisherige Perspektive auf Täter und Opfer kann eine fatale Entlastungsfunktion haben für das System, das dahinter steht", sagte Kirchenrechtler Lüdecke. Die Kirchenoberen müssten sich die Frage stellen, ob die Sexualabstinenz, die sie von ihren Priestern fordern, und die Vereinsamung von Pastoren, die in immer größeren Pfarrgemeinschaften immer weniger private soziale Kontakte knüpfen könnten, sich auf die Sexualität der Geistlichen auswirke. Psychologe Banse sekundierte: "Teilweise haben Priester keinen einzigen Freund zum Reden. Aus den USA wissen wir, dass 60 Prozent der Missbrauchstäter aus Kirchenkreisen zudem ein Alkoholproblem haben. Die Täter im kirchlichen Umfeld sind keine Psychopathen, sondern Männer mit vielen Problemen, die dann in Krisensituationen übergriffig werden - als Ersatzhandlung für fehlende Intimität und Freundschaft."
Dass kircheninterne Akten, die Aufschluss geben könnten über das Wie und Warum eines Missbrauchs, in Geheimarchiven verschlossen sind, zu denen ausschließlich der jeweilige Diözesanbischof Zugang hat, verhindere, dass empirisch und wissenschaftlich aufgeklärt werden könne, welche Umstände zu sexuellen Übergriffen führen, kritisierte Lüdecke. Noch nicht mal die Staatsanwaltschaft verschaffe sich Zugang zu diesen Akten.