Samstag, 8. Dezember 2018

Bistum Trier: Wo beginnt die Null-Toleranz? - Wo endet sie?





Nach "körperlicher Intimität" zwischen Pfarrer und Flüchtling: Bischof Ackermann sprach von "Verfehlungen". Priester weiterhin im Einsatz.

Fast auf den Tag genau ist es inzwischen zwei Jahre her,  dass es im rheinland-pfälzischen Kirn zu einem tödlichen Unfall kam: Laut einer Polizeimeldung lief am 9. Dezember 2016 gegen 19.30 Uhr „plötzlich und unvermittelt“ ein 23 Jahre alter Mann vom Gehweg auf die Straße – und ließ einem Autofahrer keine Chance mehr, um auszuweichen. Der junge Mann starb später im Krankenhaus.

Ein Jahr darauf, im Dezember 2017,  wurden dann neue Informationen zu dem Suizid bekannt: Zu finden waren sie in dem Gemeindebrief der katholischen Pfarreiengemeinschaft Kirn. Unterzeichnet von dem damaligen Kirner Pfarrer:

Der Pfarrer schrieb, dass der 23-Jährige, der sich im Jahr zuvor das Leben genommen hatte, ein Flüchtling aus Syrien gewesen sei, der bei ihm Hilfe wegen einer schweren Traumatisierung gesucht habe. Weiter schrieb er: „Hier hat sich schließlich eine auch körperliche Intimität ergeben, die dieser Situation nicht angemessen war.“ Er habe die Distanz, die seine Rolle als Priester geboten hätte, nicht gewahrt. „Ich habe das Vertrauensverhältnis in nicht angemessener Weise ausgenutzt.“  - Er sei einfach überfordert gewesen.

Weiter hieß es: „Mit dem Bischof habe ich vereinbart, dass wir über meinen künftigen Einsatz als Priester erst gegen Ende der Therapie sprechen werden.“ Eine Sprecherin des Bistums Trier bestätigt das auf Anfrage. Es habe ein persönliches Gespräch mit dem Bischof gegeben, nach dem Ende der Therapie werde man schauen, wo der Pfarrer künftig eingesetzt werde. 

Warum ein Mann, der das Vertrauensverhältnis zu einem schwer traumatisierten Mann „in nicht angemessener Weise ausgenutzt“ hat, weiter für das Bistum arbeiten darf? 

„Die Verfehlungen wurden im Rahmen eines Disziplinarverfahrens im Auftrag des Bischofs von Trier untersucht und auch geahndet“, heißt es in einer Stellungnahme des Bistums.  Dem Pfarrer sei auferlegt worden, künftig nicht mehr in der Flüchtlingshilfe zu arbeiten. „Damit ist die Angelegenheit dienstrechtlich abgeschlossen.“

Am 01.01. 2018 teilte das Bistum Trier daraufhin in seinem "Kirchlichen Amtsblatt" mit,  dass man bereits zum 28. November 2017 die Verzichtsleistung des Kirner Pfarrers angenommen habe. Dies betreffe sowohl seine Stelle als Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Kirn sowie seinen Vorsitz der Vertretung des Kirchenverbandes Kirn.

Nur wenige Monate später, mit Wirkung zum 15. Juni 2018 ernennt der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte der DBK, Bischof Dr. Ackermann, den Pfarrer als Kooperator (mit dem Titel Pfarrer) in der Pfarreiengemeinschaft Schillingen.

"Aufarbeitung" auf katholisch: Das Geschehen wurde in einem Disziplinarverfahren durch den Bischof von Trier "aufgearbeitet". Als Konsequenz bat der Pfarrer (!)  seinen Verzicht auf die Pfarreiengemeinschaft an

Und abermals folgt ein Schreiben des ehemaligen Kirner Pfarrers im Pfarrbrief  (07/2018) an die Öffentlichkeit: "Im Kontext meiner Arbeit in der Flüchtlingshilfe gab es ein unangemessenes Verhältnis zu einem jungen Mann. Ich habe die Distanz, die meine Rolle als Begleiter eines geflüchteten Menschen und auch die Rolle als Priester erfordert hätte, nicht gewahrt. Das Geschehen wurde in einem Disziplinarverfahren durch den Bischof von Trier aufgearbeitet; als Konsequenz habe ich dem Bischof meinen Verzicht auf die Pfarreiengemeinschaft angeboten. (...) Zum 15. Juni 2018 hat mich Bischof Ackermann zum Kooperator Ihrer Pfarreiengemeinschaft Schillingen ernannt."

Zur Geldstrafe verurteilter Pfarrer weiterhin als Seelsorger im Einsatz

Auch der Umgang mit einem weiteren Pfarrer gibt zu denken:  In dem SPIEGEL- Artikel "Scham und Bestürzung" vom 19.03.2012 wurde u.a. über Pfarrer W. berichtet.
"Das Bistum Trier jedoch lässt größere Milde walten. Beispiel W.: Der heute 48-jährige Pfarrer hatte sich vor einigen Jahren an mehreren Minderjährigen vergriffen. "Wir holten unsere Kinder nach einem Betwochenende ab", erinnert sich ein Vater. "Sie sollten im Missionshaus auf die Kommunion vorbereitet werden." Sein neunjähriger Sohn war verstört, zögerlich erzählte er, dass er sich die Hose habe ausziehen müssen. Pfarrer W. habe von ihm und anderen Kindern verlangt: "Alles runter!" Dann habe er sie über sein Knie gelegt und aufs nackte Gesäß geschlagen. "Wut und Scham der Kinder waren immens", sagt der Vater. 
W. (der bereits zuvor zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, ca)  durfte trotzdem in einer anderen Gemeinde weiterarbeiten. Pfarrer W.: "Es war ja kein sexueller Missbrauch." Nur aus der Kinder- und Jugendarbeit sollte er sich fernhalten - was offenbar nicht gelang. "Er hat sich schon ziemlich intensiv mit Ministranten beschäftigt", sagt ein Geistlicher aus dem Dekanat. "Das war natürlich entgegen den Absprachen." Heute ist er Pfarrer einer Klinik im Saarland, wo Kinder als Patienten und Besucher anzutreffen sind. "Man kommt gegen den Vertuschungswillen der Kirche nicht an", sagt der Vater des von W. misshandelten Jungen resigniert."

W. arbeitete daraufhin bis 2016 als Krankenhauspfarrer an den SHG-Kliniken Sonnenberg.  Aufgrund dieser Stellung war nicht nur der Kontakt zu Kindern und Jugendlichen vorprogrammiert, sondern auch der Kontakt  zu psychisch instabilen Patienten  - die unter anderem an den Folgen sexuellen Missbrauchs leiden und im Klinikum behandelt wurden.  Seit 2014 arbeitet W. als Kooperator in der Pfarreiengemeinschaft Quierschied. Seit 2016 außerdem als  Kooperator in der Pfarreiengemeinschaft Sulzbach. 

Foto: Thomas Seeber / SZ

Von einem Kontaktverbot zu Kindern und Jugendlichen kann bei Pfarrer W. keine Rede sein. So feierte Pfarrer W. zum Beispiel im Juli diesen Jahres "den etwas anderen Gottesdienst". Auch soll er am Gründonnerstag 2018 die feierliche Messe mit dem Erstkommunionempfang der Kinder zelebriert haben.


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